Zum Inhalt springen

Fussball-EM in Deutschland Die EURO 24 und das strapazierte Sommermärchen

Landauf, landab wird seit Wochen in die deutsche Gesellschaft hineingehorcht, ob das Grossereignis im eigenen Land erneut zum Sommermärchen taugt – ganz so, wie die legendäre WM 2006. Es gibt offensichtlich ein grosses Bedürfnis nach einer Neuauflage.

Direkt am deutschen Tor der Superlative, dem niemals ein 11-Meter ins Netz gehen wird, dem Brandenburger Tor, liegt die Fanmeile – mit dem riesigen Bildschirm und dem künstlichen Rasen.

Neugierige flanieren bereits – die Ausgangslage ist ganz simpel: die einen interessieren sich nicht für Fussball, die anderen brennen dafür. Die Fans freuen sich auf die Stimmung, auf gute Laune, auf schöne Spiele und kaltes Bier.

Menschen auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor.
Legende: Die Zuschauenden auf der Fanmeile freuen sich auf den Fussballsommer. SRF

Die riesige Fanmeile im Herzen der Stadt mit Zehntausenden wird auch dieses Mal wieder das Bild wesentlich prägen.

Hoffnung auf unbeschwertes Sommermärchen

Auf dem Spielfeld hofft man auf konstante Magie, und die ganze Republik soll wieder ein Sommermärchen erleben – «unbeschwert» ist das Zauberwort, das mitschwingt. Unbeschwert waren damals 2006 die kollektive Freude und das Feiern.

Man klammert sich quasi ans Unbeschwerte von damals, was etwas Krampfhaftes und Irritierendes hat: denn – Kinder kurz weghören – Märchen sind nicht wahre Geschichten und gerade bei jenem von 2006 hat sich im Nachgang der Sternenstaub in nebulösen Machenschaften um Millionenzahlungen verflüchtigt.

Wir haben uns das verdient.
Autor: Robert Habeck Deutscher Wirtschaftsminister

Dass dieses Mal die Stimmung anders ist, zeigt schon nur, dass der Bundeskanzler Olaf Scholz sich genötigt sieht, sein Volk aufzumuntern: «Lassen Sie sich die Vorfreude auf dieses Fussballfest, auf diesen Sommer, nicht nehmen.» Und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen schob im Magazin «Kicker» nach: «Wir haben uns das verdient.»

Schmaler Grat zwischen Patriotismus und Nationalismus

Das Verhältnis zu «schwarz-rot-gold» ist nun mal bei vielen Deutschen nicht «unbeschwert» – und für «Macht-Euch-mal-locker» mit der deutschen Flagge sind die Verschiebungen politischer Präferenzen nach rechts nicht besonders förderlich. Zu schmal ist der Grat zwischen unverfänglichem Patriotismus und politisch aufgeladenem Nationalismus. Zu gross die politische Instrumentalisierung von allem und jedem in jede Richtung.

Dazu kommt: Selbst, wenn Ukrainekrieg, Abstiegsängste und Ärger über die Regierung nicht dauernd präsent sind, drängt sich bei vielen, wie eine Spielverderberin, die Sorge vor islamistischen Terroranschlägen ins Bewusstsein. Vielleicht dann doch nicht Public Viewing dieses Mal?

Die Deutsche Nationalmannschaft beim Training.
Legende: Trägt die Hoffnung einer Nation: Die Deutsche Nationalmannschaft beim Training. Keystone/Christian Charisius (Archiv)

Die Stimmung hängt doch von vielem ab: Die deutsche Nationalmannschaft, die bei Dauerregen früh ausscheidet oder aber ganz im Gegenteil, bei prächtigstem Sommerwetter mit schönstem Fussball den Pokal holt.

Am Ende werden so oder so viele toll gefeiert haben, viele andere nicht. Das geht auch wunderbar ohne Sommermärchen. Jetzt lasst sie doch einfach mal spielen.

HeuteMorgen, 14.06.2024, 6 Uhr

Meistgelesene Artikel