Korruption, fehlende Fussball-Tradition und Menschenrechtsverletzungen: Wohl nie zuvor musste sich der Gastgeber einer Fussball-Weltmeisterschaft im Vorfeld so viel Kritik anhören wie Katar. Dazu kamen die Korruptionsvorwürfe während des Turniers im Umfeld des EU-Parlaments. Trotz der vielen Negativschlagzeilen kann das kleine Golfemirat diese erste WM in einem arabischen Land als Erfolg für sich verbuchen.
Reibungsloser Ablauf
Organisatorisch hat das Turnier nahezu reibungslos geklappt: kurze Wege zwischen den Stadien, gut organisierte Transporte, grosszügige Austragungsstätten und keine grösseren Ausschreitungen.
In Sachen Organisation hat Katar die Erwartungen vieler übertroffen. Selbst das in letzter Minute verhängte Alkoholverbot bei den Stadien wurde von vielen Beobachtern und Fans vor Ort eher neutral bis positiv wahrgenommen. Die Stimmung rund um die WM war friedlich, betrunkene Zuschauer gab es kaum.
Politische Wirkung
Katar ist ein kleiner Golfstaat – und angewiesen auf gute Beziehungen zu seinen Nachbarländern. Von 2017 bis 2021 jedoch wurde das Land von seinen Nachbarn in der sogenannten «Katar-Blockade» politisch und wirtschaftlich isoliert. Ein einschneidendes Erlebnis für Katar und seine Bevölkerung.
Dass nun die Machthaber von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Doha gekommen sind und man Seite an Seite ein gemeinsames Fussball-Fest gefeiert hat, gehört aus katarischer Sicht wohl mit zu den wichtigsten Erfolgen dieses Turniers.
Panarabische Solidarität
Die anhaltende Kritik aus dem Westen am WM-Gastgeberland wurde nicht nur in Katar selbst, sondern in der ganzen Grossregion zunehmend als überheblich wahrgenommen. Man hatte den Eindruck, es gehe nicht mehr um die Sache – der Westen betreibe «Katar-Bashing».
Dass sich beispielsweise Deutschland stark für die sogenannte «One Love»-Binde eingesetzt, gleichzeitig aber ein Gas-Abkommen mit Katar abgeschlossen hat, sahen viele im Nahen Osten als heuchlerisch. Diese Kritik von aussen hat die arabischen Länder geeint und näher an Katar gebracht. Dazu kam der grosse Erfolg der marokkanischen Nationalmannschaft am Turnier, welcher die ganze Region vom Maghreb bis zum Golf ins kollektive Fussballfieber gestürzt hat.
Erfolg trotz Kritik
Insgesamt kann Katar die Fussball-Weltmeisterschaft aus seiner Sicht als Erfolg verbuchen. Es ist dem Land gelungen, sich auf der Weltbühne zu präsentieren – wenn auch nicht überall positiv.
Doch zumindest im arabischen Raum ist es Katar gelungen, ein positives Image zu erwecken. Ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn ist aus katarischer Sicht wichtiger als die Kritik aus dem Westen. Der Westen wird wohl auch in den kommenden Jahrzehnten von Gas und Öl abhängig sein – und Katar plant sehr langfristig. Die Machthaber des Landes wissen: Lukrative Gas-Deals währen länger als die Kritik rund um eine Weltmeisterschaft.