Zwei Männer haben in den vergangenen zwei Tagen den G20-Gipfel in Rio überragt. Der eine war Donald Trump. Als designierter US-Präsident war er zwar nicht eingeladen, am Verhandlungstisch sass Noch-Amtsinhaber Joe Biden. Und doch war Trump nicht wegzudenken. Was würde er jetzt sagen? Wie wird er die Welt prägen?
Fragen, die sich auch Chinas Präsident Xi Jinping gestellt haben dürfte. Er war der zweite überragende Gipfel-Mann. Trump ist für ihn Risiko und Chance zugleich. Zwar hat Xi zu Hause in China mit Problemen zu kämpfen. Die Wirtschaft schwächelt, die Gesellschaft ist überaltert. Umso mehr geht Xi geopolitisch in die Offensive. Die Gelegenheit ist günstig. Trumps Mix aus Versprechen und Drohungen befördert die Unsicherheit. Viele in Europa fürchten, Trump werde die Ukraine fallen lassen und damit Russland zu weiteren Feldzügen ermutigen. Auch hat er eine massive Erhöhung der Importzölle in Aussicht gestellt. Es droht ein globaler Handelskrieg.
Chinas Präsident umwirbt Staatschefs aus dem Globalen Süden
Der ideale Zeitpunkt, um China als Supermacht der Stabilität in Szene zu setzen. In den Strassen Rios liess Xi Hunderte von Chinesen aufmarschieren, um mit chinesischen und brasilianischen Flaggen den G20-Delegationen zuzuwinken. Einem Speeddating gleich traf Xi einen Amtskollegen nach dem andern. China sei bereit, mit Deutschland enger zusammenzuarbeiten und die «strategische Partnerschaft» zu festigen, sagte er etwa dem deutschen Kanzler Olaf Scholz. Vor allem umwarb Xi Staatschefs aus dem sogenannten Globalen Süden. Vor der Ankunft in Brasilien hatte er in Peru einen Zwischenstopp eingelegt, um einen Tiefseewasser-Hafen einzuweihen. China investiert dort etwa 3.5 Milliarden Dollar.
Machtwechsel in den USA kommt zu einem kritischen Zeitpunkt
Am Gipfel selbst zeigte Xi viel Verständnis für die Anliegen von Gastgeber Lula da Silva, dem brasilianischen Präsidenten. Dieser will den Hunger bekämpfen, die armen Länder weniger arm machen. Dafür bezahlen will Xi freilich so wenig wie möglich. Der Westen, befand er, habe doch Geld genug. Solche Dreistigkeit scheint sich Xi leisten zu können.
Es sind tatsächlich vor allem westliche Staaten, die Jahr für Jahr Dutzende von Milliarden Dollar in Klimaschutz und Schuldenerlass fliessen lassen – auch, um sich Einfluss und Prestige zu erkaufen. Der Machtwechsel in den USA kommt also zu einem kritischen Zeitpunkt. Trump hat wenig übrig für langwierige Verhandlungen mit vielen Staaten am Tisch. Sollte Donald Trump die Gelder für den sogenannten Globalen Süden zusammenstreichen und einen globalen Handelskrieg entfachen, käme dies Chinas diplomatischer Charmeoffensive zugute.
Es könnte aber auch anders kommen. In seiner ersten Amtszeit nahm Trump an allen G20-Gipfeln teil. Anders als Biden, der in Rio das Gruppenbild mit den Amtskollegen verpasste, stellte sich Trump jeweils stolz in die erste Reihe. Überraschend kündigte er einen Fonds für die Stärkung der Rolle der Frau an und liess sogar über den Klimaschutz mit sich reden. Manche hoffen, Trump könnte solches in den kommenden Jahren wiederholen.
Jedenfalls weiss Xi genau: Chinas Einfluss in der Welt hängt davon ab, wie Trump seine Aussenpolitik gestaltet. Verärgert und verängstigt er einen nach dem andern, wäre das sehr zum Vorteil von Gipfel-Stürmer Xi.