Die Ersten werden die Letzten sein: Rumänien gilt als erstes Land der Welt, das Öl förderte. Später war die rumänische Stadt Turda die erste des Planeten, deren Strassenlicht aus Gaslaternen kam. Und heute, wo ein Teil der Welt dringend nicht-russische Rohstoffe braucht, könnte Rumänien helfen. Das sagt Otilia Nutu. Sie arbeitet in Bukarest fürs Expertenforum, eine Organisation, die möchte, dass Rumänien besser regiert wird, und die unabhängig ist von der Regierung.
Die rumänischen Gasvorräte könnten Rumänien selbst und die Länder der Gegend, die besonders abhängig sind vom russischen Gas – Moldawien und Bulgarien – befreien und versorgen. Ein Teil des rumänischen Gases könnte auch nach Westeuropa fliessen.
Rumänien fördert zwar heute schon Gas, aber es könnte viel mehr sein: Kaum ein Land in Europa hat grössere Gasvorräte als Rumänien, sie liegen vor allem in den Hügeln Siebenbürgens und – ganz besonders – in den Tiefen des Schwarzen Meers.
Rumänische und ausländische Unternehmen möchten das Gas aus dem Meer holen, Milliarden investieren. Das Technische ist geklärt. In einem grellbunten Werbefilm mit lachenden Kindern und reizenden Dörfern erklärt der österreichische Energiekonzern OMV, dass die Gasförderung Rumänien in eine glücklichere Zukunft führen werde – mit vielen Arbeitsplätzen.
Bloss: Seit Jahren machen es die rumänischen Gesetze unmöglich, das Gas aus dem Schwarzen Meer zu holen. Jetzt steigt das amerikanische Unternehmen Exon, das jahrelang Gas fördern wollte, aus dem Vorhaben im Schwarzen Meer aus. Dies ausgerechnet jetzt, da russische Schiffe dort Krieg führten, sagt Energiefachfrau Otilia Nutu.
Rumäniens Versagen bei der Gasförderung sei eine Schande. «Ich weiss nicht, ob der Grund nur Inkompetenz ist – oder ob Absicht dahintersteckt», sagt Nutu. Jedenfalls ist das Gesetz, das das Anzapfen neuer Gasquellen regelt, so gestaltet, dass sie niemand tatsächlich anzapft. Die Steuern und Abgaben auf Gas sind zu hoch, es winkt zu wenig Gewinn.
Ich weiss nicht, ob der Grund nur Inkompetenz ist – oder ob Absicht dahintersteckt.
Der Staat beschere potenziellen Investoren Schüttelfrost, sagt die Energiefachfrau. Nicht nur wegen der hohen Steuern, sondern auch, weil sich die Regeln dauernd änderten, wenn das Gas dann fliesse: Einmal sei der Gasmarkt frei in Rumänien, im nächsten Moment diktiere der Staat wieder Höchstpreise für Gas.
Verdacht auf Korruption
«Seit Jahren kommt nicht mehr Gas auf den Markt und es profitiert nur einer – der russische Energiekonzern Gazprom.» Es gebe zwar keine Beweise, sagt Otilia Nutu, aber es deute vieles darauf hin, dass Gazprom rumänische Politiker dafür bezahle, dass Rumänien sein eigenes Gas so unattraktiv mache – Korruption also.
Allerdings gibt Rumänien jetzt Gas: Das Parlament behandelt ein neues Gesetz zur Gasförderung. Regierungschef Nicolae Ciuca gibt sich voller Hoffnung: «Die bisherigen Hindernisse werden beseitigt, mit dem neuen Gesetz wird Gasförderung attraktiv.»
Gas wird erst in Jahren fliessen
Bloss: Die Energieunternehmen bleiben vorsichtig, sagen, sie müssten das neue Gesetz noch genau anschauen. Kein Wunder, sagt Energieexpertin Nutu, das neue Gesetz sei viel zu kompliziert. Und sogar wenn es durchkommt und sich die Gasförderung dann lohnt, kommen die grössten rumänischen Gasvorräte frühestens in vier Jahren auf den Markt.