Brasilien und Argentinien streben eine gemeinsame Währung und eine stärkere wirtschaftliche Integration an. «Wir haben beschlossen, die Gespräche über eine gemeinsame südamerikanische Währung voranzutreiben», erklären der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der argentinische Regierungschef Alberto Fernández in einem gemeinsamen Artikel für die Internetseite der argentinischen Wochenzeitung «Perfil».
Die Zeitung «Financial Times» hatte zuvor über eine Wiederbelebung der Gespräche über eine gemeinsame Währung berichtet. Demnach soll die zunächst als bilaterales Projekt gestartete Initiative später auf andere lateinamerikanische Länder ausgeweitet werden.
Gibt es in Südamerika also bald schon eine gemeinsame Währung analog zum Euro im EU-Raum? Günther Maihold, Lateinamerika-Experte bei der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik SWP, ist skeptisch.
Von der Wiederaufnahme der Gespräche über eine Gemeinschaftswährung würden sich Argentinien und Brasilien vorderhand eine Signalwirkung versprechen. «Die strategische Beziehung zwischen Buenos Aires und Brasilia läuft wieder», fasst Maihold die Botschaft zusammen.
Entkopplung vom US-Dollar
Demnach wollen die Regierungschefs Lula und Fernández demonstrieren, dass die beiden südamerikanischen Schwergewichte auf eine grössere wirtschaftliche Integration auf dem Kontinent hinarbeiten.
In Brasilien grassieren Ängste, dass man für fehlende Strukturreformen in Argentinien mitzahlen muss.
Brasilien und Argentinien wollen den Real respektive Peso laut eigenen Angaben vom US-Dollar entkoppeln und sich damit unabhängiger von Wechselkursschwankungen machen. «Zum anderen soll durch eine Umrechnung der Handelswerte wieder Schwung in den wirtschaftlichen Austausch untereinander kommen», erklärt der Lateinamerika-Experte.
Der nächste Anlauf
Bisher scheiterten die Pläne für eine Währungsunion daran, dass das wirtschaftlich dauerkriselnde Argentinien nicht eben als verlässlichster Partner schien. Hohe Inflationsraten, Verschuldung und Zahlungsunfähigkeit – in Brasilien fürchtet man, dass diese Risiken überwälzt werden könnten.
«Es grassieren Ängste, dass man für fehlende Strukturreformen in Argentinien mitzahlen muss», sagt Maihold. «Deswegen gab es bislang immer nur bloss ein Grundsatzbekenntnis zur Währungsunion, aber keine dynamischen Schritte in der Frage.»
Argentinien erhofft sich von einer Gemeinschaftswährung eine «externe Stabilisierung», wie es Maihold nennt. «Durch eine Assoziierung mit dem deutlich grösseren Partner Brasilien würde man sehr viel gewinnen. Gleichzeitig hätte man Spielraum gegenüber internationalen Organisationen, die angesichts der Verschuldung klare Massnahmen von Argentinien erwarten.»
Gedämpfte Erwartungen
Brasilien und mithin Präsident Lula da Silva könnten dagegen ihren regionalen Führungsanspruch unterstreichen. So könnte Brasilien mittelfristig weitere Länder in die Gemeinschaftswährung einbeziehen und als Impulsgeber auf dem südamerikanischen Kontinent auftreten. «Andererseits dürfte die Zentralbank in Brasilia aber eher auf die Bremse treten», sagt Maihold.
Eine Voraussetzung für eine Währungsunion sei, dass die Wirtschaftspolitiken der beteiligten Länder in die gleiche Richtung laufen. «Hier gibt es aber starke Divergenzen. Bevor diese bereinigt sind, ist die Umsetzung der Idee eher unwahrscheinlich.»