Pattama Useng hat vor zwanzig Jahren ihren Bruder verloren. Er starb beim sogenannten Tak-Bai-Massaker. Es ist der grausamste und zugleich bekannteste Fall von Menschenrechtsverletzungen im Tiefen Süden.
Sie könne das Geschehene nicht aus ihrem Gedächtnis löschen, sagt die heute 38-Jährige. In der Ortschaft Tak Bai hatten sich im Oktober 2004 Demonstranten vor einer Polizeistation versammelt. Sie forderten die Freilassung von sechs malaiischen Muslimen.
Ich will, dass die Schuldigen vor Gericht gestellt werden. Sie sollten sich öffentlich zu ihren Taten bekennen und sich für das entschuldigen, was sie den Menschen angetan haben.
Die Sicherheitskräfte setzten neben Tränengas und Wasserwerfern auch scharfe Munition ein und töteten mehrere Demonstranten. Unter ihnen war auch Pattamas Bruder.
Festgenommene übereinander «gestapelt»
Die Beamten entschieden sich für massive Gewalt. «Dabei hätten sie die Menge mit einer anderen Taktik sicher auflösen können», ist Pattama überzeugt.
1300 Demonstranten werden festgenommen und in ein 150 Kilometer entferntes Lager gebracht. Die Männer werden gefesselt und auf Militärlastwagen gestapelt. Bei dem unmenschlichen Transport sterben 78 Menschen – einige werden erdrückt, andere ersticken qualvoll.
Bis heute kämpfen Pattama und andere Angehörige dafür, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Erst in diesem Jahr, fast zwanzig Jahre später, befasst sich ein Provinzgericht mit dem Fall. Mehrere Verantwortliche wurden angeklagt.
«Wir kämpfen immer noch um Gerechtigkeit. Ich will, dass die Schuldigen vor Gericht gestellt werden. Sie sollten sich öffentlich zu ihren Taten bekennen und sich für das entschuldigen, was sie den Menschen angetan haben», sagt Pattama. Viel Zeit bleibt Pattama und ihren Mitstreiterinnen nicht. Denn: Ende des Monats verjährt der Fall.
Immunität für Sicherheitskräfte
Dennoch ist der Prozess historisch. Bislang wurden Polizei- und Militärangehörige in der Region kaum juristisch belangt. In der Region gelten Sondergesetze, die den Sicherheitskräften im Kampf gegen aufständische Gruppen weitreichende Befugnisse einräumen – sie geniessen fast völlige Immunität.
Seit Jahrzehnten kämpfen im Tiefen Süden Rebellengruppen für einen eigenen Staat. Sie schrecken dabei auch nicht vor Bombenanschlägen zurück. Die thailändische Regierung hat ihrerseits dort Zehntausende Soldaten stationiert. Der Konflikt hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als 7000 Menschenleben gefordert.
Junge Muslime werden genau kontrolliert
Der Tiefe Süden unterscheide sich stark vom Rest Thailands, sagt die thailändische Politologin Asama Mungkornchai.
Hier würden viele Menschen diskriminiert. Viele ihrer männlichen Studenten täten ihr leid, sagt sie. Sie seien das Ziel der Checkpoints und würden viel häufiger angehalten als Studentinnen oder Buddhisten. Rund 1800 Checkpoints soll es im Tiefen Süden geben. Etwa 70'000 Soldaten sind dort stationiert. Der Sicherheitsapparat sei für die Menschen hier zur Normalität geworden, klagt Asama.
Wie angespannt die Lage nach wie vor ist, zeigt sich am letzten Tag der Reportagereise. Vor einem Wohnblock der Polizei explodiert eine Autobombe.
Bei dem Anschlag werden 21 Menschen verletzt, eine Lehrerin stirbt. Sie war zufällig vor Ort, als die Autobombe explodierte.