- In Syrien sind in den letzten 48 Stunden insgesamt mehr als 1000 Menschen bei Massakern und Gefechten getötet worden, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet.
- Sicherheitskräfte der Übergangsregierung hätten mindestens 745 Zivilpersonen getötet oder exekutiert – darunter auch Kinder. Neben den Zivilpersonen wurden auch mehr als 270 Kombattanten auf beiden Seiten getötet.
- Es handelt sich bei den Opfern laut der Beobachtungsstelle mehrheitlich um Menschen der alawitischen Minderheit. Der religiösen Gemeinschaft gehört auch der gestürzte syrische Machthaber Baschar al-Assad an.
- Die Sicherheitskräfte der neuen Regierung wurden offenbar eingesetzt, um gegen den Aufstand militanter Assad-Anhänger vorzugehen.
Die in Grossbritannien ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die den Konflikt über ein Netzwerk von Informanten verfolgt, sprach weiter von Massakern in mindestens 29 Orten der Gouvernements Latakia, Tartus und Hama und Homs. Die westlichen Küstenregionen gelten als Hochburgen der Alawiten. Alleine in der Stadt Banias seien 60 Zivilisten durch Erschiessungen hingerichtet worden.
Es handle sich um die schlimmsten Gewalttaten seit Jahren, teilte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahman, mit. Ein Bewohner aus der betroffenen Region sagte, vor allem unter den Alawiten seien Angst und Schrecken weit verbreitet. «Es gibt viele Übergriffe und Tötungen aufgrund der Religionszugehörigkeit. Es kommt auch zu Diebstählen.»
Die Beobachtungsstelle rief die internationale Gemeinschaft zum dringenden Handeln auf und forderte die Entsendung von Experten, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Zudem appellierte sie an die syrischen Behörden in Damaskus, die Verantwortlichen für die Hinrichtungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Mehrere Hundert Menschen, vor allem Frauen, Kinder und Ältere, suchten Zuflucht auf einem russischen Militärstützpunkt in Syrien, wie aus vor Ort entstandenem Filmmaterial hervorgeht und von zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen berichtet wurde. Unabhängig überprüfen liessen sich auch diese Angaben nicht.
Chaos bei Kämpfen
Die neue Führung begann am Donnerstag in der Küstenregion mit einem harten Vorgehen gegen einen nach ihrer Darstellung aufkeimenden Aufstand militanter Kräfte mit Verbindungen zu Assads früherer Regierung.
Vertreter der neuen Führung haben Verstösse während der Operation eingeräumt. Sie machen dafür unorganisierte Massen von Zivilisten und Kämpfern verantwortlich, die versucht hätten, die offiziellen Sicherheitskräfte zu unterstützen oder im Chaos der Kämpfe Verbrechen zu verüben.
Der frühere islamistische Rebellenanführer und jetzige Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hat in einer Rede am Freitagabend erklärt, dass Angriffe auf Zivilpersonen hart bestraft würden. Die Anhänger von Ex-Machthaber Al-Assad rief er dazu auf, ihre Waffen niederzulegen.
Das Verteidigungsministerium erklärte am Samstag, man versuchte, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und jegliche Übergriffe auf Zivilisten in der Küstenregion zu verhindern. Das Ausmass der Gewalt, über das berichtet wird, schürt allerdings weitere Zweifel, ob die islamistischen Machthaber in der Lage sind, Syrien mit Rücksicht auf alle Bevölkerungsgruppen zu regieren.