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Ukraine-Gipfel: OSZE erwartet ein starkes politisches Signal
Aus Echo der Zeit vom 06.12.2019. Bild: Keystone
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Gipfel für die Ostukraine «Inzwischen haben alle ein Interesse, den Konflikt zu beenden»

Bald sechs Jahre Krieg, gegen 13'000 Tote – doch seit 2016 schweigt die internationale Diplomatie zum Ostukraine-Konflikt. Nun soll in Paris ein neuer Anlauf genommen werden mit einem Ukraine-Gipfel im sogenannten «Normandie-Format». Wie stehen die Chancen dieses Treffens? Sind echte Fortschritte möglich?

Ein Interview mit Thomas Greminger, dem Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE spielt im Ukraine-Konflikt eine Schlüsselrolle als Beobachterin, Puffer und Vermittlerin.

Thomas Greminger

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Thomas Greminger ist ein schweizerischer Diplomat und seit Juli 2018 der Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Weiterhin ist er der Generalstabsoffizier der Schweizer Armee.

SRF: Thomas Greminger, was erwarten Sie vom Ukraine-Gipfel in Paris?

Thomas Greminger: Ich erwarte von diesem Gipfel vor allem ein starkes politisches Signal, das es erlauben würde, weitere Schritte in die richtige Richtung zu tun.

Die richtige Richtung geben ja eigentlich die sogenannten Minsk-Abkommen vor. 2014 wurden sie abgeschlossen. Russland und die Ukraine haben sich dazu bekannt. Sie beinhalten einen umfassenden Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen und eine Friedenslösung basierend auf politischen Reformen. Doch sie sind bis heute toter Buchstabe geblieben…

In der Tat ist während praktisch fünf Jahren wenig passiert bezüglich der Umsetzung der Minsker Abkommen.

Wir sind der Lösung des Konflikts nicht wirklich nähergekommen.

Was man jedoch positiv vermerken kann: Es ist dank ihnen gelungen, eine weitere Verschärfung des Konflikts in der Ostukraine zu verhindern. Und es ist ebenfalls gelungen, die humanitären Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung zu reduzieren – nicht zuletzt dank der Sonderbeobachtungsmission der OSZE. Aber es ist richtig: Wir sind der Lösung des Konflikts nicht wirklich nähergekommen.

Ihre OSZE-Beobachter können die Situation vor Ort am besten einschätzen. Was melden Sie Ihnen nach Wien – gibt es im Konfliktgebiet selber Fortschritte?

Die Lage hat sich in den letzten zwei, drei Monaten verbessert. Es gab den Austausch von Gefangenen. Russland hat zuvor gekaperte ukrainische Schiffe freigegeben. Es gibt Fortschritte bei der Truppenentflechtung in den drei definierten Pilotgebieten. Damit werden endlich Beschlüsse umgesetzt, die eigentlich bereits auf dem Ukraine-Gipfel 2016 in Berlin verabschiedet wurden. Und das hat es nun erlaubt, die berühmte Brücke von Stanyska-Luganska zu reparieren. Sie konnte am 20. November wiedereröffnet werden und ist die einzige Stelle über die Kontaktlinie zwischen den beiden Teilen der Ostukraine. Sie wird jeden Tag von mehr als 10'000 Leuten benutzt.

Wie sieht es aus bezüglich Verletzungen des Waffenstillstandes? Hat deren Zahl abgenommen?

Ja, die Anzahl der Verletzungen des Waffenstillstands hat sich zeitweilig massiv reduziert, um 70 bis 75 Prozent. Im Moment sieht es allerdings wieder ähnlich aus wie im Vorjahr. Das heisst, es gibt Tage mit wenigen hundert Verletzungen – zu diesen zählen auch Schussabgaben mit Kleinwaffen –, an anderen Tagen sind es jedoch bis gegen 2000. Das bringt dann stets das Risiko einer grösseren Eskalation mit sich.

Das Gesamtbild scheint also weiterhin durchwachsen – Verbesserungen gibt es bloss punktuel.

Ja, es gibt weiterhin Opfer, zivile und militärische, auf beiden Seiten. Wir sind weiterhin weit weg von einem nachhaltigen Waffenstillstand. Und wir beobachten immer wieder, dass schwere Waffen verschoben werden, auch innerhalb der vereinbarten Abzugsgebiete. Es braucht also noch viel.

Und trotzdem verspüren Sie einen gewissen Optimismus?

Wenn wir damit vergleichen, was wir in den vergangenen fünf Jahren erlebt haben, dann sehen wir heute positive Entwicklungen, auf denen man aufbauen kann. Aber klar: Nun gilt es, diese Fortschritte abzusichern und umzumünzen auch in politische Bewegung.

Gipfel im «Normandie-Format»

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Der Ukraine-Gipfel soll im sogenannten «Normandie-Format» stattfinden. Also mit den direkt beteiligten Ländern Russland und Ukraine. Frankreich und Deutschland übernehmen die Rolle der Vermittler.

Haben denn alle Beteiligten tatsächlich ein Interesse an einer Konfliktlösung? Im Fall von Russland entstand ja bisher der Eindruck, dass der Kreml mit dem Status Quo ganz gut leben kann?

Ich denke, alle haben inzwischen ein Interesse, diesen Konflikt zu beenden.

Ich glaube, dass Russland durchaus an einem gesichtswahrenden Rückzug aus dem Donbass interessiert ist.

Dieser Konflikt ist teuer, gerade auch für Russland – wenn man etwa an die Sanktionen, den Reputationsschaden oder auch den Vertrauensverlust denkt. Die ganze Unterstützung für die De-facto-Behörden in den Separatistengebieten kostet Moskau enorm viel Geld. Deshalb glaube ich, dass Russland durchaus an einem gesichtswahrenden Rückzug aus dem Donbass interessiert ist.

Halten Sie die Erwartungen, dass nun ein rascher Durchbruch möglich ist, für realistisch?

Man sollte die Erwartungen nicht allzu hoch schrauben an den Gipfel in Paris. Realistisch scheinen mir Schritte in Richtung eines nachhaltigen Waffenstillstandes. Ich hoffe ausserdem, dass es einen Anstoss gibt, die zahlreichen ungelösten politischen Fragen anzugehen: den Sonderstatus für gewisse Gebiete in Donezk und Lugansk, die Frage einer Amnestie, die Schaffung von Voraussetzungen für demokratische Lokalwahlen im Konfliktgebiet oder den Zugang der Ukraine zur ukrainisch-russischen Grenze. Da muss nun etwas passieren.

Falls es diese Bewegung in die richtige Richtung gibt, wäre das zugleich der Auftakt zu einer grundsätzlichen Entspannung zwischen Russland und dem Westen? Zu einer Entspannung, die auch wieder Verhandlungen, zum Beispiel über Abrüstung zuliesse?

Es ist klar, dass der Konflikt in und um die Ukraine ein massiver Faktor, und zwar ein massiver negativer Faktor in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen darstellt. Gibt es also hier, im Ukraine-Konflikt, eine Lösung, dann wäre das ein entscheidender Schritt zum Wiederaufbau des verlorengegangenen Vertrauens.

Was aber, wenn der Preis für eine Beilegung des Konflikts in der Ostukraine darin bestünde, dass die Welt, auch die westlichen Länder, die russische Annexion akzeptieren würden? Wie sieht die OSZE das?

Wir sprechen bewusst immer vom Konflikt in und um die Ukraine und machen damit klar, dass die Krim mitgemeint ist. Wir müssen auch die Problematik der Annexion der Krim angehen. Mir scheint es wichtig, dass wir nun die Chance, die sich im Donbass bietet, nutzen. Das heisst aber nicht, dass damit das ganze Problem gelöst wird.

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

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