Moldau, das kleine Land zwischen der Ukraine und Rumänien, ist für das organisierte Verbrechen ein attraktiver Ort. Im Osten bietet das Chaos des Ukraine-Kriegs neue Gelegenheiten. Im Westen wartet der Absatzmarkt der Europäischen Union. Dazu kommt: Der moldauische Staat hat zu wenig Geld, um Polizei und Grenzschutz massiv aufzurüsten.
Wie aktiv das organisierte Verbrechen seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs geworden sei, zeige sich tagtäglich an der Grenze zur Ukraine, sagt die moldauische Innenministerin Ana Revenco gegenüber SRF: «Wir sehen drei bis vier Mal so viele Delikte – je nach Art des Verbrechens.» Es geht um Drogenschmuggel, illegalen Waffenhandel, Menschenhandel und das Einschleusen von illegalen Migrantinnen und Migranten – vor allem von ukrainischen Männern, die dem Wehrdienst entgehen wollen.
Weder die Menschen noch die Drogen und Waffen, die illegal aus der Ukraine über die Grenze kommen, bleiben in Moldau. Endziel ist praktisch immer die Europäische Union.
Frontex in Moldau präsent
Und deshalb sei der Schutz der moldauisch-ukrainischen Grenze eine Aufgabe, die ganz Europa etwas angehe, findet Innenministerin Revenco. «Nur gemeinsam können wir das organisierte Verbrechen effizient bekämpfen.»
Das sieht man auch in der Europäischen Union so. Schon unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schickte Frontex, die Grenzschutzbehörde der EU, Dutzende Offiziere nach Moldau. Sie unterstützten den moldauischen Grenzschutz, als plötzlich Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine vor den Grenzposten standen.
Inzwischen ist diese Flüchtlingswelle vorbei. «Doch wir sind mit starken Kräften nach wie vor Ort», sagt Lars Gerdes, Vizedirektor der europäischen Grenzschutzbehörde. «Heute geht es in Moldau wie an den EU-Grenzen zur Ukraine in erster Linie um die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens.» Die Frontex-Offiziere helfen bei Kontrollen und bilden lokale Grenzschützerinnen und Grenzschützer weiter.
Die Gefahr von illegalen Waffen
Dabei macht Gerdes vor allem Sorgen, dass es in der Ukraine heute mehr und gefährlichere Waffen gibt als vor dem Krieg. Waffen, die zum Teil als Militärhilfe aus dem Westen kommen: «Wir erwarten, dass es spätestens nach Ende des Ukraine-Kriegs einen Boom beim illegalen Waffenhandel geben wird. Wenn dann Kriegswaffen – Kalaschnikows, schwere Maschinengewehre, Sprengstoffe oder Handgranaten – kommen, hat das gefährliche Konsequenzen für die EU.» Die Kriegswaffen könnten in die Hände von Verbrechern oder Terroristen gelangen.
Die ukrainische Armee bemühe sich, ihre Waffen zu registrieren, sagt der Frontex-Mann. Aber in einem Krieg sei es letztlich unmöglich, nachzuverfolgen, wo jede einzelne Waffe hinkomme. «Jeder kann im Gefecht die Waffe verlieren. Es gibt viele Gefallene, deren Waffen dann herumliegen. Es gibt in einem Krieg fast endlos viele Möglichkeiten, wie Waffen in die falschen Hände kommen können.»
Die Ukraine ist derzeit mehr mit ihrer Verteidigung gegen Russland beschäftigt als damit, die Gefahr durch illegalen Waffenhandel zu bekämpfen. Und so bleibt Europa nichts anderes übrig, als den Grenzschutz in den Ländern, die an die Ukraine grenzen, schon heute auf den Waffenschmuggel von morgen vorzubereiten.