Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos steht nach dem Ausbruch mehrerer Brände fast vollständig in Flammen. In der Nacht begannen die Behörden mit der Evakuierung des Lagers. Eine Ironie des Schicksals, sagt Journalistin Rodothea Seralidou. Denn aufgrund der unhaltbaren Zustände im Flüchtlingscamp sei es längst angezeigt gewesen, die Menschen herauszuholen. Jetzt brauchte es eine Brandkatastrophe.
SRF News: Gibt es schon gesicherte Informationen zum Brand auf Lesbos?
Rodothea Seralidou: Der Brand hat das Camp fast komplett zerstört – Zelte rund um das offizielle Camp ebenso wie Wohncontainer im Inneren. Deshalb auch die Evakuation der Menschen. Zudem weiss man, dass sich die Brände in der Nacht schnell ausgebreitet haben und es zu einem Grosseinsatz der Feuerwehr gekommen ist. Starker Wind hat die Löscharbeiten enorm erschwert.
Über die Brandursache gibt es bislang unterschiedliche Angaben. Was wissen Sie darüber?
Griechische Medien berichten, dass die Brandursache Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen von Bewohnern des Flüchtlingslagers gewesen sein sollen. Nachdem 35 Flüchtlinge und Migranten positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sollten sie ausserhalb des offiziellen Lagers isoliert werden. Dagegen gab es Proteste.
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Bild 1 von 13. Das griechische Flüchtlingscamp auf Lesbos ist beim Brand in der Nacht auf Mittwoch fast komplett zerstört worden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. Eine Luftaufnahme zeigt einen Teil der zerstörten Unterkünfte nach dem Brand. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 13. Das Feuer war kurz nach Mitternacht ausgebrochen, die Regierung spricht von Brandstiftung. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 13. Von Winden mit einer Stärke von bis zu 70 km/h wurden die Brände immer wieder angefacht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 13. Die griechischen Behörden begannen bereits in der Nacht mit der Evakuierung des Flüchtlingslagers. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 13. Beim Eintreffen der Feuerwehr wurden die Einsatzkräfte mit Steinen beworfen. Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei waren im Dienst. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 13. Bereits bevor das Feuer ausbrach, gab es im Flüchtlingslager Unruhen, weil das Lager nach einem Corona-Fall seit einer Woche unter Quarantäne gestellt ist. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 13. Am Mittwochabend brachen erneut einzelne Brände aus. Das zweite Feuer habe fast alles des bisher verschonten Teils des Lagers zerstört, wie das griechische Migrationsministerium am Donnerstagmorgen berichtete. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 13. Einige wenige verbleibende Flüchtlinge suchen am Mittwochmorgen in den Trümmern nach ihrem Hab und Gut. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 13. Besonders tragisch ist die Lage im Flüchtlingslager Moria derzeit für unbegleitete Kinder. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 13. Rund 400 unbegleitete Minderjährige aus dem Lager wurden am Mittwochabend in drei separaten Flügen von Lesbos nach Nordgriechenland geflogen. Die Flüge wurden von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) organisiert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 13. Viele der mehr als 12'000 Migranten und Flüchtlinge, die zuletzt im Lager lebten, flohen in die umliegenden Wälder und auf Hügel, andere machten sich auf den Weg zur Inselhauptstadt Mytilini. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 13. Das Flüchtlingslager Moria ist seit Jahren heillos überfüllt, zuletzt lebten dort rund 12'600 Menschen – bei einer Kapazität von 2800 Plätzen. Bildquelle: Keystone.
Andere Bewohner des Camps sorgten sich aber um ihre Gesundheit und beharrten darauf, dass die positiv Getesteten und ihre engen Kontakte das Lager verlassen sollten. Zwischen diesen beiden Gruppen soll es zu Auseinandersetzungen und in der Folge auch zu Bränden gekommen sein. Man weiss aber nicht, wer diese Brände gelegt hat.
Am frühen Morgen hat sich der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas im staatlichen Fernsehen zu Wort gemeldet. Was hat er gesagt?
Er hat den Notstand für die Insel Lesbos erklärt und angekündigt, dass es am Vormittag eine Krisensitzung der zuständigen Minister geben wird, auch der Premier Kyriakos Mitsotakis wird teilnehmen.
Das Camp steht unter Quarantäne, die Menschen durften weder rein noch raus. Das hat sie psychisch enorm unter Druck gesetzt.
Sie wollen über eine Reaktion auf die Vorkommnisse beraten und prüfen, was aus den Camp-Bewohnern werden soll. Im Camp, das nun evakuiert wurde, haben knapp 13'000 Menschen gelebt. Sollen sie nun aufs Festland oder in andere Camps gebracht werden?
Das Flüchtlingslager ist seit Jahren überfüllt. Eigentlich hätten nur knapp 3000 Menschen darin Platz. Wie könnte es nun weitergehen?
Hilfsorganisationen, Aktivisten und auch die Flüchtlinge und Migranten selber fordern schon lange, dass die Menschen raus dem Lager kommen sollen. Dass es nun unter solchen Umständen passiert, ist eine Ironie des Schicksals.
Das Camp stand nun auch noch wegen dem Corona-Ausbruch unter Quarantäne, die Menschen durften weder rein noch raus. Das hat sie psychisch enorm unter Druck gesetzt. Man hätte nicht auf solch eine Katastrophe warten sollen, bis man die Menschen aus dem Lager lässt.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.