Ausharren statt evakuieren während der Corona-Krise: Weiterhin leben Zehntausende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln im Freien. In den überfüllten Camps herrschen katastrophale hygienische Bedingungen.
Wie sollen wir uns auf diese Weise vor dem Coronavirus schützen, wenn wir uns nicht mal waschen können?
Der 26-jährige Paiman lebt bereits seit neun Monaten in Moria. Der junge Mann kommt ursprünglich aus Afghanistan, hat dort Wirtschaftswissenschaften studiert und lebt in Moria in einem Zelt. So wie die meisten der etwa 20'000 Flüchtlinge und Migranten im überfüllten Lager.
Man habe hier viele Probleme: Das Wasser sei knapp, Strom hätten sie nicht, die Toiletten würden nicht ausreichen. «Am Tag haben wir in den Waschräumen nur drei oder vier Stunden Wasser. Wie sollen wir uns auf diese Weise vor dem Coronavirus schützen, wenn wir uns nicht mal waschen können?»
Zwar würden sie mittlerweile über die Gefahren des Coronavirus in ihren Muttersprachen informiert, so Paiman. Aber das Wichtigste – eine gute Hygiene – sei nach wie vor nicht gegeben. Die Camp-Bewohner seien mehr und mehr auf sich alleine gestellt.
«Ehrenamtliche Helfer gibt es kaum noch. Sogar die Behörden haben wegen des Coronavirus zu, die europäische Asylagentur Easo beispielsweise und die Arztpraxis auch, der Doktor im Camp ist nicht mehr da. Es gibt immer weniger Camp-Mitarbeiter.»
Die Hilfsorganisation «Ärzte ohne Grenzen» ist noch da. In ihrer mobilen Kinderklinik gegenüber dem Lager werden im Durchschnitt 100 Kinder täglich untersucht. Deren Krankheiten hätten vor allem mit den schlimmen hygienischen Bedingungen im Camp zu tun, sagt Sprecher Marco Sandrone.
«Viele unserer Patienten haben Durchfall und die Krätze frisst die Menschen im Camp lebendig auf. Da muss eine langfristige Lösung gefunden werden. Aber es sind nun mal 20'000 Menschen, die eng beieinander leben.» Um die Krätze effektiv zu bekämpfen, müsste man das ganze Camp reinigen, jedes einzelne Zelt, jeden einzelnen Wohncontainer, so Sandrone.
Das sei in Moria unter den gegebenen Umständen nicht machbar. Sollte nun auch das Coronavirus ausbrechen, würde es sich schnell im Camp ausbreiten. Deshalb sei es nun dringender denn je, das Lager zu evakuieren und die Menschen von den Inseln aufs Festland zu bringen. «Vor allem die verletzlichen Gruppen, also Kinder, Familien und kranke Menschen», erklärt Sandrone.
Griechische Regierung lehnt ab
Eine Forderung, die auch die Europäische Union stellt, welche aber die griechische Regierung ablehnt, wie EU-Innenkommissarin Eva Johansson am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters sagte.
Stattdessen setzt Athen auf mehr Abschottung. Pro Familie darf nur noch eine Person das Flüchtlingslager verlassen und muss dafür eine polizeiliche Genehmigung bekommen. Der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas sagt dazu: «Es wird nun für alle deutlich, dass wir das Problem besser in geschlossenen Camps in den Griff bekommen können als in diesen offenen chaotischen Camps, wie es sie vorher gab.»
Solange es keinen bestätigten Corona-Fall im Lager gibt, findet der 26-jährige Paiman aus Afghanistan die Ausgangssperre gut. Sie gebe ihm ein Gefühl der Sicherheit, sagt er. Er würde sich aber auch gerne gründlich die Hände waschen und Abstand halten, wie ihm die ausgeteilten Informationsbroschüren der griechischen Regierung nahelegen. Doch für die Menschen in Moria bleiben diese Basismassnahmen im Kampf gegen das Coronavirus weiterhin Luxus.