An der Tür der Berner Heiliggeistkirche hängen 38'739 Papierfetzen und rascheln im Wind. Auf den Zettel stehen Namen, Todesdatum und Ort des Todes. Jeder Zettel steht für einen Menschen, der im Mittelmeer ertrunken ist – auf dem Weg nach Europa.
In der Kirche drin geht es um jene Flüchtlinge, die es lebend nach Griechenland geschafft haben: Mehr als 130 Hilfswerke und Flüchtlingsorganisationen stellen ihre Forderungen vor.
Hausen in Campingzelten und Hütten
Unter ihnen ist auch Fabian Bracher, er leitet die Kampagne «Evakuieren jetzt». Bracher reist immer wieder auf die griechische Insel Lesbos ins Lager Moria, um zu helfen. Die Menschen würden dort bei Hitze und Kälte in kleinen Zelten und Hütten hausen. «Sie sind kaum geschützt vor dem Wetter und anderen Gefahren.»
Bracher hat ein Gemeinschaftszentrum ausserhalb des Flüchtlingslagers Moria aufgebaut. «Die Leute können tagsüber dort vorbeikommen, um dem Alptraum Moria ein bisschen zu entfliehen», sagt er.
Seine und 130 weitere Organisation fordern jetzt den Bundesrat auf, mitzuhelfen, die Camps auf den griechischen Inseln zu evakuieren und die Flüchtlinge in die Schweiz zu holen. Sie haben dazu eine Petition lanciert, die mehr als 50'000 Personen unterschrieben haben.
Mit lanciert hat die Bittschrift Amnesty International. Die Schweiz habe die finanziellen Mittel und Platz in den Bundesasylzentren, um «ein grosses Kontingent» an Menschen aus den Lagern in die Schweiz zu holen, sagt Amnesty-Geschäftsleiterin Alexandra Karle. «Wir wollen die Schweiz auch ermuntern, sich für ein gerechteres Dublin-System einzusetzen.»
Zurückhaltung bei den Bundesbehörden
Ein Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM) verweist darauf, dass die Schweiz bereits 23 unbegleitete minderjährige Asylsuchende, sogenannte UMAs, aus Griechenland in die Schweiz geholt hat. Und eine weitere Aufnahmeaktion solle bald folgen, so das SEM. Dabei sollen nochmals 20 bis 30 Kinder und Jugendliche in die Schweiz kommen dürfen.
Das genügt den Petitionärinnen und Petitionären nicht. «Es wäre wichtig, dass der Bund ein Signal setzt und Hunderte Kinder holt und ihnen ein neues Zuhause bietet», sagt Karle von Amnesty. Auch Familien, alte Menschen oder schwangere Frauen müsse die Schweiz hierherholen. Die mehr als 130 Organisationen verweisen auf den Kosovo-Krieg in den 1990er-Jahren, als die Schweiz 50'000 Flüchtlinge aufgenommen hat.
SVP: Hilfe vor Ort als einzige Möglichkeit
Von einer solchen Aufnahmeaktion will man bei der SVP nichts wissen. Der asylpolitische Sprecher der SVP, Andreas Glarner, sagt, die Hilfe vor Ort sei die einzige Möglichkeit zu helfen. «Die Zustände sind teils katastrophal. Doch es nützt nichts, wenn wir die Leute hierherholen. Die Lager werden von Schleppern gleich wieder aufgefüllt.»
Die Hilfe vor Ort ist wahrscheinlich der einzige gemeinsame Nenner zwischen SVP und den Hilfswerken. Doch das geht den Petitionären entschieden zu wenig weit.