«Wenigstens hat es keine neuen Erdbeben gegeben in den letzten Tagen», sagt Philippe Kropf. Er ist Sprecher des UNO-Welternährungsprogramms WFP. Aber auch ohne neue Erschütterungen sei die Lage im Erdbebengebiet im Westen Afghanistans schwierig genug.
«Noch immer kommen wir in immer neue Dörfer, in denen bis jetzt niemand gewesen ist.» Und auch die Erdbeben-Hotline in Kabul, wo sich Dörfer melden, die Hilfe brauchen, laufe immer noch heiss, so Kropf.
Das WFP hat inzwischen Energie-Riegel und Essenspakete an mehr als 100'000 Betroffene verteilt. Die Riegel sorgen für den ersten Energieschub. «Ein Paket à 2.1 Kilogramm kann eine siebenköpfige Familie drei Tage lang durchbringen.»
Auch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef hat gerade 80 Tonnen Hilfsgüter nach Afghanistan geschickt. Es handelt sich dabei vor allem um medizinische Güter, aber auch um Decken und warme Kleidung.
96'000 Kinder sind von Obdachlosigkeit betroffen und brauchen dringend humanitäre Hilfe.
«Die Lage ist katastrophal», sagt Unicef-Vertreterin Saskia Kobelt. «96'000 Kinder sind von Obdachlosigkeit betroffen und brauchen dringend humanitäre Hilfe.»
Es fehlt schlicht an allem
In den betroffenen Gebieten fehle es an allem, sagt Kobelt. Die 80 Tonnen Hilfsgüter der UNO seien daher nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Natürlich bräuchten die Menschen jetzt dringend medizinische Hilfe. Aber noch vieles mehr: Sauberes Trinkwasser, Essen und angesichts des nahenden Winters warme Kleidung und Decken.
Schon jetzt sei es deutlich kühler und windiger geworden. Und lange nicht alle, die ihr Haus verloren haben, hätten schon ein Zelt über dem Kopf, so Kobelt.
Wasser ist auch deshalb knapp in den Erdbebengebieten um die Stadt Herat, weil die ganze Gegend seit fünf Jahren von Dürren geplagt wird. Derzeit liefern Hilfsorganisationen Trinkwasser mit kleinen Tanklastern in das Gebiet. Aber für die Nutztiere sei nicht genug Wasser da, sagt Philippe Kropf vom WFP in Kabul.
Das Kanalsystem zur Bewässerung sei durch die Beben zerstört worden, deshalb könnten die Tiere und auch die Felder derzeit nicht mehr getränkt beziehungsweise bewässert werden.
Es fehlt das Geld, um allen zu helfen
Und schon nur die Menschen zu versorgen, ist schwierig genug. Ursprünglich rechnete das WFP damit, 100'000 Erdbeben-Betroffenen helfen zu müssen. Inzwischen habe man die Prognose auf 118'000 nach oben korrigiert. «Das kostet uns 23 Millionen Dollar», sagt Kropf.
Dabei wird es immer schwieriger, genug Geld für die Hilfslieferungen zu finden. Allein für Afghanistan fehlen dem WFP 400 Millionen Dollar. Schon vor den Erdbeben konnten von den 15 Millionen Afghaninnen und Afghanen, die von Nahrungsmittellieferungen abhängig sind, nur deren drei Millionen versorgt werden. Jetzt kommen noch mehr Bedürftige dazu – und der Winter steht vor der Tür.
Auch Unicef fehlten Ende September mehr als die Hälfte der für Afghanistan nötigen Spendengelder. Und das war noch vor dem Erdbeben. Es mache sich eine gewisse Spendenmüdigkeit breit, beklagen auch andere Organisationen.
Schon jetzt geht die Angst um, dass sie eine Krise gegen die andere ausspielen müssen.