Alle Augen auf Österreich. Oft kommt das nicht vor in der EU, aber am Montag im Rat der Umweltminister in Luxemburg war es so. Die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler hob die Hand für das sogenannte EU-Renaturierungsgesetz, und Österreichs Stimme gab diesmal den Ausschlag für die Annahme des Gesetzes. Gewessler hob ihre Hand buchstäblich gegen den österreichischen Bundeskanzler Nehammer und seine ÖVP.
Sie hatten das Gesetz nämlich abgelehnt. Gefühlsmässig würde er sofort diese Koalition beenden, sagte Nehammer Stunden später in Brüssel. Er warf seiner Umweltministerin Vertrauens- und Rechtsbruch, genauer Verfassungsbruch vor. Diese konterte, sie stimme für die gute Sache, den Klimaschutz.
Nichtigkeitsklage angekündigt
Es gibt wichtigere Vorhaben als das Renaturierungsgesetz im Rahmen des Green Deals der EU. Zum Beispiel das Aus des Verbrennungsmotors. Und trotzdem kommt es zu diesem Drama. Bundeskanzler Nehammer kündigte pathetisch sogar eine Klage wegen Amtsmissbrauchs gegen seine Ministerin an und will eine Nichtigkeitsklage in Brüssel gegen den Entscheid einlegen. Die Koalition löst er dennoch nicht auf.
Es ist die Parlamentswahl vom 29. September, die ihre sehr langen Schatten vorauswirft. Es ist eine wichtige Wahl, denn die rechtspopulistische FPÖ unter Herbert Kickl liegt in den Umfragen in Führung. Die Europawahl hat sie bereits gewonnen. Die Frage, wohin Österreich steuert, wenn die FPÖ unter dem Scharfmacher Kickl gewinnt, ist berechtigt.
Die kommende Wahl dominiert also alles. Umweltministerin Gewessler, vielleicht bald die starke Frau bei den Grünen, setzt voll auf das Klimathema. ÖVP-Bundeskanzler Nehammer hält an der Koalition fest, weil er für seine Wählerschaft wichtige Gesetze noch durchs Parlament bringen will, weil er kurz vor der Wahl den Amtsbonus nicht verlieren will. Daher gibt er sich staatstragend, Österreich solle nicht im Chaos versinken.
Das Ende der schwarz-grünen Koalition
Schwarz-Grün ist ab 29. September nach dem gestrigen Tagen ziemlich sicher Geschichte. Schwarz-Rot als nächste Regierung wäre vielleicht möglich, aber attraktiv wie abgestandenes Wasser. Es war die häufigste und ist eine unbeliebte Kombination.
Eine Koalition von ÖVP und Herbert Kickls FPÖ wäre möglich. Die ÖVP will nicht Kickl in der Regierung, aber ohne ihn wäre eine Koalition mit der FPÖ denkbar, sagt Nehammer. Die ÖVP hat zwar bei der Europawahl massiv Stimmen an die FPÖ verloren, aber sie liegt nur 0.9 Prozent hinter der Siegerin FPÖ. Bei der Neuverteilung der Macht im Herbst wird es buchstäblich auf jede Stimme ankommen. Das zeigt die Geschichte.
Im Jahr 2000 ging die drittplatzierte ÖVP mit der zweitplatzierten FPÖ von Jörg Haider eine Koalition ein und konnte mit Wolfgang Schüssel sogar den Kanzler stellen. Eine mehr als ungewöhnliche Konstellation, die auch damit gerechtfertigt wurde, dass die ÖVP nur 415 Stimmen hinter der FPÖ lag.