Anlässlich einer Wahlkampf-Ansprache in einer Weinhandlung in der Salzburger Kleinstadt Hallein vom 26. Juli hat der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer Kindern armer Eltern empfohlen, sich in Fastfood-Restaurants zu verpflegen.
«Die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist zwar nicht gesund, aber sie ist billig», sagt Nehammer in einem Videomitschnitt der Veranstaltung, der in diesen Tagen in die sozialen Medien gelangt ist und seither durch die Decke geht.
Ein Hamburger kostet 1.40 Euro, mit Pommes 3.50 Euro. Und da soll es Eltern geben, die sich das nicht leisten können.
Aber nicht genug der Häme. Im Anschluss verglich der Kanzler von der konservativen ÖVP den Sozialstaat, der sich um Kinderarmut kümmert, mit dem Kommunismus der ehemaligen DDR. Die Empörung in den Reihen österreichischer Politikerinnen und Politiker war gross.
Es hagelt Kritik von allen Seiten
Der Bundeskanzler argumentierte in seiner Einlassung mit den Zahlen der Teilzeitbeschäftigten. Die wirtschaftliche Situation in Österreich sei gut, so Nehammer. Wenn also die Armut wachsen würde, dann müsste die Zahl der Teilzeitbeschäftigten gleichzeitig zurückgehen, was sie aber nicht tue. Dieses technische Argument verfing bei Nehammers Kritikerinnen und Kritikern allerdings wenig.
Wer in Österreich sagt, es gebe niemanden, der hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung.
Herbert Kickl, Parteichef der rechtsnationalen FPÖ, sagte vielmehr, das Video zeige das wahre Gesicht des Kanzlers: weltfremd, von oben herab und herzlos gegenüber der wahren Not von Kindern.
Sein Kollege von der SPÖ, Andreas Babler, nutzte Nehammers Entgleisung gar für eine Pressekonferenz. Die Menschen in Österreich hätten einen Kanzler verdient, der sie respektiere und nicht einen, der arme Kinder in den McDonalds schicke, sagte Babler.
Auch bei der Bevölkerung zeitigen Nehammers Äusserungen vielerorts Empörung und Spott. In den sozialen Medien kursierte die Analogie von der französischen Königsgattin und gebürtigen Österreicherin Marie-Antoinette und ihrem Ausspruch aus dem 18. Jahrhundert, wonach Leute, die kein Brot zu essen hätten, doch auch Kuchen essen könnten.
Caritas-Chef Michael Landau schrieb wörtlich: «Wer in Österreich sagt, es gäbe niemanden, der hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung.»
Ist Nehammers Ausspruch bloss Wahlkampf?
Sich zum Start des Wahlkampfs für die Wahlen im Herbst 2024 den Volkszorn aufzuhalsen, könnte aber durchaus auch Kalkül sein, sagt SRF-Korrespondent Peter Balzli in seiner Analyse.
Vor vier Jahren gewann die ÖVP mit Bundeskanzler Sebastian Kurz die Wahl klar. Doch jetzt liege die Partei in Umfragen bloss noch auf dem dritten Platz – hinter Kickls FPÖ und Bablers SPÖ –, so Balzli. Die Zustimmungswerte der Regierung seien im Sinken begriffen. In den Umfragen dominiert die rechtskonservative FPÖ, was Nehammer zwinge, am rechten Rand seiner Partei die Wählerschaft bei Laune zu halten.
Wie auch immer sich Nehammers Fauxpas auf die Wahlen 2024 auswirken wird: Seiner im Grund christlichen Werten verpflichteten ÖVP hat er sicher keinen Dienst erwiesen.