Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam strich anlässlich der alljährlichen Grundsatzrede den Nutzen des umstrittenen Sicherheitsgesetzes für die chinesische Sonderverwaltungszone heraus. Peking habe das durchaus gefallen, sagt SRF-Chinakorrespondent Martin Aldrovandi.
SRF News: Worüber hat Hongkongs Regierungschefin in ihrer Grundsatzrede konkret gesprochen?
Martin Aldrovandi: Unter anderem ging es um eine verstärkte Zusammenarbeit Hongkongs mit Festlandchina. Lam nannte in diesem Zusammenhang die Themen Technologie, Finanzen oder Luftfahrt. Lam sprach auch von der verstärkten Integration Hongkongs in die Greater Bay Area, einer Vernetzung also mit chinesischen Städten wie Shenzhen in der Region des Perlflussdeltas.
Carrie Lam lobte mehrmals die Formel ‹ein Land, zwei Systeme›, mit der Hongkong regiert wird.
Daneben thematisierte sie Hongkong-interne Themen wie die unterbelegten Hotels wegen Corona oder die schwierige Wirtschaftslage. Lam verteidigte vor allem auch das umstrittene, kürzlich in Kraft getretene Sicherheitsgesetz. Dank ihm habe man die Ordnung in Hongkong wiederhergestellt, sagte sie. Priorität habe jetzt – nach der Zeit des Chaos –, die politische Ordnung wiederherzustellen. Sie lobte dabei mehrmals die Formel «ein Land, zwei Systeme», mit der das zu China gehörende Hongkong regiert wird.
Mit welchen Argumenten hat Lam die Vorteile einer engen Beziehung zu China herausgestrichen?
Sie sagte, Hongkong könne wirtschaftlich von China profitieren, schliesslich habe sich das Festland praktisch vollständig von der Pandemie erholt. Von Vorteil sei auch die Wirtschaftsstrategie von Präsident Xi Jinping, die vor allem auf den Binnenhandel fokussiert. Zudem betonte sie, dass Peking für genügend Impfdosen gegen das Coronavirus auch in Hongkong sorgen werde.
Lam beschuldigte in der Vergangenheit immer wieder ausländische Regierungen, diese würden die Demonstranten in Hongkong unterstützen. Gibt es konkrete Anzeichen dafür?
Auch jetzt sagte sie wieder, ausländische Regierungen hätten die Protestbewegung unterstützt und sich damit in die inneren Angelegenheiten Hongkongs eingemischt. Das habe die nationale Sicherheit gefährdet, so Lam.
Die Protestbewegung ist ganz klar in Hongkong verwurzelt – nicht im Ausland.
Indes – politische Unterstützung aus dem Ausland für die Hongkonger Aktivisten gab es sicher. So trafen sich einige von ihnen bekanntlich mit US-Politikern. Auch verhängten die USA Sanktionen gegen Regierungschefin Lam, andere Länder setzten ihre Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus. Aber die Proteste sind ganz klar in Hongkong selber verwurzelt – und nicht im Ausland, wie das die chinesische Regierung gerne darstellt.
Wie sind die Reaktionen auf die Rede von Carrie Lam?
Die Rede hätte bekanntlich schon im Oktober stattfinden sollen, wurde damals aber verschoben, weil Lam in Shenzen an einem Anlass mit Präsident Xi eine Rede zu 40 Jahren Sonderwirtschaftszone Shenzen hielt. Dafür wurde sie scharf kritisiert – weil sie sich damit Peking untergeordnet habe.
In Peking kam Lams Rede gut an.
Auch jetzt hiess es von Kritikern in Hongkong, Lam führe die Hongkongerinnen und Hongkonger in eine falsche Richtung. Die Integration in die Greater Bay Area mit Festlandchina ruiniere Hongkong als internationale Stadt. In Peking kam ihre Rede dagegen erwartungsgemäss gut an. Die offiziellen, chinesischen Medien berichteten überaus positiv darüber.
Das Gespräch führte Rino Curti.