Der französische Premierminister Michel Barnier ist in einer schwierigen Position: Frankreich hat Rekordschulden, der Premier steht unter dem Druck der Finanzmärkte und der Europäischen Union. Doch das zerstrittene Parlament ist in drei Blöcke geteilt, Barnier regiert seit drei Monaten ohne Mehrheit. Als der erste Teil des Sparhaushalts heute zur Schlussabstimmung in die grosse Kammer, die Assemblée nationale, kam, griff der Premier zur Brechstange: Er versuchte, die Vorlage ohne Abstimmung per Dekret durchzubringen. SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann ordnet ein.
Wie hat Premier Michel Barnier sein Vorgehen begründet?
Die Möglichkeiten zum Dialog seien ausgeschöpft, sagte Barnier. Er habe den Kompromiss gesucht, doch nun sei der Moment der Wahrheit gekommen. Seine Vorlage hatte im Parlament keine Mehrheit. Die Signale von der linken und rechten Opposition zeigten, dass er die Vorlage nicht durch eine Abstimmung bringen würde. Deshalb verknüpfte er sein politisches Überleben direkt mit der Vorlage.
Was ist bei den Verhandlungen zwischen Barnier und Le Pen passiert?
Am Vormittag trafen sich Barnier und die Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, nochmals zu Gesprächen. Ohne deren Stimmen kann er nicht regieren. Der Premier ging dabei erneut auf ihre Forderungen ein. Barnier hatte bereits auf die Erhöhung der Stromsteuern verzichtet, nun nahm er auch die Kürzungen bei Medikamentenerstattungen zurück. Doch das war Le Pen nicht genug: Sie beharrte darauf, dass bei den Renten die Teuerung voll ausgeglichen wird – bei dieser Fünf-Milliarden-Forderung war für Barnier die Grenze wohl erreicht.
Kommt es zum Sturz der Regierung?
Der Misstrauensantrag ist beschlossene Sache. Darüber kann frühestens nach 48 Stunden abgestimmt werden, also am Mittwoch. Wenn die Opposition links und rechts bei dieser Position bleibt, steht Frankreich Mitte dieser Woche tatsächlich ohne Regierung und ohne ein verabschiedetes Budget fürs nächste Jahr da.
Kann sich Frankreich diesen Streit ums Budget leisten?
Frankreich muss immer mehr Geld aufwenden, um die Schulden begleichen zu können – kurzzeitig sogar mehr als Griechenland. Michel Barnier zeichnete ein düsteres Bild, sprach vom Sprung ins Unbekannte, sollte kein Budget verabschiedet werden. Er prophezeite einen Sturm an den Finanzmärkten. Und tatsächlich wirkt Frankreich mit seiner Rekordverschuldung und seiner politischen Blockade sehr verletzlich. Die Opposition will sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Marine Le Pen sprach von «Panikmache». Man könne sehr wohl mit einem Notbudget weitermachen und in aller Ruhe eine neue Regierung finden. Was für eine, in dieser zerstrittenen politischen Landschaft, bleibt allerdings unklar.