«Es war der ganzen Familie klar, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, um zu fliehen», erzählt die junge Frau, die wir hier Amal nennen. «Wir hatten seit fünf Tagen weder Strom noch Wasser.»
Die letzten Tropfen Trinkwasser seien aufgebraucht gewesen, in der Nachbarschaft fielen Bomben. «Die Milizen drangen ein und wir hatten Angst, dass wenn wir jetzt nicht gehen, wir hier gar nicht mehr rauskommen.»
Wir hatten Angst, dass wenn wir jetzt nicht gehen, wir hier gar nicht mehr rauskommen.
Ausserdem sorgte sich die ganze Familie um Amals 17-jährige Schwester, die in ihrer Universität festsass, die von Milizen eingenommen worden war. Nach fünf Tagen, während derer sie wegen der Kämpfe nicht aus dem Haus konnten, machten Amal und ihr Bruder sich darum letzte Woche auf, um ihre Schwester zu retten.
Beängstigende Szenen in den Strassen
Sie sei schockiert gewesen ob der beängstigenden Szenen: «Überall fliehende Menschen mit ihrem Hab und Gut auf dem Kopf, weinende Kinder, die Bomben im Hintergrund und nirgends gab es Transportmittel, weder öffentliche noch private.» Alle seien zu Fuss geflohen.
Die Flucht schien für alle der einzige Ausweg, erzählt die 23-jährige Studentin. Ihre Familie hatte Glück. Sie besitzt ein Auto. Das befand sich in der Nähe der Uni der jüngeren Schwester. Amal und ihr Bruder schafften es mit Hilfe von Freunden, dorthin zu gelangen und gemeinsam mit der Schwester Khartum zu verlassen.
Teure Autos werden von Kämpfern gestohlen
Sie hätten vier Checkpoints der paramilitärischen Rapid Support Forces passieren müssen. «Wir hatten solche Angst. Vor uns waren zwei Jungs in einem grossen Auto. Die Milizen konzentrierten sich auf sie.»
In den sozialen Medien hätten viele erzählt, dass die Milizen grosse Autos an den Checkpoints stehlen. «Wir hatten darum Glück. Sonst hätten uns die Milizen wohl auch alles abgenommen, was wir hatten: Geld, Handy, Laptop.»
Die Flucht in eine Kleinstadt südlich von Khartum, eine Reise, die normalerweise zwei Stunden dauert, dauerte zehn Stunden. Nun ist die Familie im Haus der Grosseltern, Amal fühlt sich dort sicher.
Während Jahren für Demokratie gekämpft
Die 23-Jährige gehört der Generation an, die seit 2018 für Demokratie in Sudan kämpft. Die Demonstranten brachten den Langzeit-Diktator Omar al-Baschir zu Fall. Während Jahren gab es jede Woche Proteste gegen die Herrschaft der beiden Militärs, die sich nun offen bekämpfen.
Amal hat den Militärs stets misstraut und ist trotzdem erschüttert über die aktuelle Situation. «Ich hatte Schlimmes erwartet und dennoch keine derart schlimme Situation...» – und dann fehlt Amal die Sprache.