Howard Dean, der ehemalige Vorsitzende der Demokraten und früherer Bewerber als Präsidentschaftskandidat, spricht über den Stand des Wahlkampfes, innerparteiliche Grabenkämpfe, und ob die Demokraten nochmal einen Barack Obama brauchen.
SRF: Wie beurteilen Sie den Wahlkampf der demokratischen Kandidaten?
Howard Dean: Es geht noch lange. Im Moment haben wir vier Favoriten. Biden, Warren, Sanders und Buttigieg. Aber es dauert noch 75 Tage, bis die Vorwahlen beginnen, da kann noch viel passieren.
Ist noch alles möglich?
Ja, es kann auch sein, dass noch jemand durchstartet, den wir noch nicht auf der Rechnung haben.
Immer noch steigen neue Kandidaten in den Wahlkampf ein. Letzte Woche Deval Patrick, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts. Und auch Milliardär Michael Bloomberg scheint sich eine Kandidatur zu überlegen. Brauchen die Demokraten wirklich noch mehr Kandidaten? Es sind noch 18 im Rennen.
Ich finde, wir haben genug. Aber ich bin auch nicht besorgt darüber. Am Schluss entscheiden die Wähler. Und zu diesem Zeitpunkt einzusteigen, ist schwierig. Viele Kandidaten sind seit einem Jahr unterwegs, und schon bald geht es los mit den ersten Wahlen im Bundesstaat Iowa. Dort braucht man mindestens 25 Millionen Dollar, um sich zu registrieren und eine Chance zu haben. Bloomberg hat das Geld, aber ich glaube nicht, dass man das organisatorisch schafft.
Trotzdem: Leute aus dem Parteiestablishment und wichtige Geldgeber scheinen nervös zu sein.
Die sind immer nervös, aber man sollte sich auf die Wähler und den Auswahlprozess verlassen. Sie entscheiden sich in der Regel für gute Kandidaten.
Howard Dean war einst selber ein sehr aussichtsreicher Bewerber als Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Zu diesem Zeitpunkt 2003 lag er ganz klar in Führung, verlor dann aber in den Vorwahlen gegen John Kerry, der sich als Kandidat durchsetzte. Dean weiss, was es heisst, Favorit zu sein.
Wie haben Sie dem Druck Stand gehalten?
Es ist sehr hart. Und die Medien helfen nicht. Sie bauen dich zuerst auf, und dann können sie es kaum erwarten, dich zu zerstören. Aber für den schwierigsten Job der Welt musst du da durch. Wenn du dich gegen deine Konkurrenten und gegen die Medien nicht behaupten kannst, hast du es schwierig, Putin die Stirn zu bieten.
Wann merkten Sie, dass Sie es nicht schaffen würden?
Ich spürte, wie mir alles langsam aus den Händen glitt, drei Wochen vor den Vorwahlen. Die Masse an den Wahlveranstaltungen war zwar noch gross, aber immer weniger enthusiastisch. Immer die gleichen Leute. Es war wie an einem Konzert der Rockband Grateful Dead. Du kannst als Linker sehr scharf und schrill sein, aber irgendwann müssen dich die Menschen als Präsident der USA sehen können. Ich wollte präsidialer werden, aber das war sehr schwierig.
Was würden Sie heute anders machen?
So einiges, ich war nicht gut organisiert und zu wenig diszipliniert. Ich würde Leute um mich scharen, die mir helfen, mich besser zu organisieren. Und ich war unerfahren. Ich war vorher Gouverneur in Vermont, einem Staat von 600’000 Leuten und ich wollte Präsident eines Landes werden mit damals 250 Millionen Einwohnern. Da macht man einiges falsch.
Howard Dean war von 2005 bis 2009 auch Vorsitzender der US-Demokraten und trug so seinen Teil zur historischen Wahl von Barack Obama bei. Er arbeitet heute als politischer Berater in Washington und ist immer noch bestens vernetzt in der Partei. Mit Elizabeth Warren ist er regelmässig in Kontakt. Bernie Sanders kennt er bestens, mit den Clintons arbeitete er lange intensiv zusammen.
Im aktuellen Wahlkampf der Demokraten wird viel diskutiert, ob Sanders und Warren nicht zu links sind, um gegen Trump bestehen zu können.
Für mich wird das überschätzt. Die wichtigste Frage ist: kümmert sich der Kandidat um mich? Wenn die Antwort «ja» ist, hast du eine Chance. Lautet sie nein, hast du keine Chance, egal wie deine Positionen sind. Ich bin nicht besorgt, ob jemand zu links oder zu rechts ist. Ich schaue, ob sie die Wähler wirklich erreichen können. Nur so schafft man es durch die Vorwahlen.
Aber Ex-Präsident Barack Obama hat kürzlich gewarnt, gewisse Kandidierende stünden zu weit links innerhalb der Partei. Obama äussert sich selten. Das war eine kalkulierte Aussage, die viel Aufsehen erregt hat.
Vielleicht, ja. Aber ich bin nicht sein Pressesprecher und spekuliere nicht, was er meint. Er mag besorgt sein, ich bin es nicht.
Glauben Sie, dass die Ukraine-Affäre und die Angriffe von Donald Trump Joe Biden schaden?
Nein, überhaupt nicht. Viele Leute wissen, dass Trump oft nicht die Wahrheit erzählt, und sie glauben ihm nicht. Sicher nicht, dass Joe Biden in irgendwelche komischen Geschäfte verwickelt war. Biden ist unglaublich beliebt bei den Demokraten.
Die vier Favoriten in Ihrer Partei sind zwischen 70- und 80-jährig oder jung und unerfahren. Ist das wirklich alles, was die Demokraten zu bieten haben?
Ja, ich denke schon. Schauen Sie, unsere Partei verändert sich stark, auch wenn die Favoriten das noch nicht wirklich reflektieren. Unsere Wählerbasis wird immer jünger. Von den unter 35-Jährigen wählen 70 Prozent die Demokraten. Das Durchschnittsalter unserer Kongressabgeordneten ist nach den letzten Wahlen um zehn Jahre gesunken. Wer sich bei lokalen Wahlen durchsetzt, ist jung, weiblich oder gehört einer Minorität an. Im Präsidentschaftswahlkampf ist diese Veränderung noch nicht angekommen. Die Frage ist aber nicht, ob sie kommt, sondern wie schnell.
Das mag sein, aber die Wählerschaft, die Sie beschreiben, unterstützte Hillary Clinton 2016 nicht ausreichend. Dies, obwohl alle wussten, womit sie bei Trump rechnen mussten.
Das stimmt. Trump zog Wähler an, die die politische Ordnung abschaffen wollten. Sie wollten alles loswerden, was aus ihrer Sicht nicht funktionierte. Viele stellen jetzt fest, dass wir einen «Gauner» als Präsidenten haben, dem niemand vertraut. Und dass sich unsere Stellung auf der Welt verschlechtert hat. Ich denke, viele wollen jetzt wieder eine Veränderung. Die Frage ist welche.
Brauchen die Demokraten nicht jemanden, der mobilisiert wie Obama?
Obama ist der beliebteste Politiker im Land. Aber man sollte nie jemanden nominieren, nur weil er einem anderen ähnlich ist. Jede und jeder muss seine eigene Marke aufbauen. Darum geht es im Wahlkampf. Ich bin ziemlich optimistisch für unsere Kandidierenden, und ich sehe viel Enthusiasmus, ganz sicher für die Favoriten.
Das Gespräch führte Peter Düggeli.