Als vor fast drei Wochen das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos niederbrannte, war die Schweiz relativ rasch vor Ort. Mitglieder des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) flogen auf die Insel, um die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. Das Lager sei akzeptabel als Notlösung für ein paar Monate, sagt Manuel Bessler, der Delegierte des Bundes für humanitäre Hilfe.
SRF News: Was sind ihre Eindrücke vom neuen Lager auf Lesbos?
Manuel Bessler: Für mich ist es sehr wichtig, die Situation vor Ort zu sehen und mit den Leuten zu reden. 9000 Menschen sind dicht aufeinander gedrängt. Die Zelte stehen sehr nahe aneinander. Es ist eine Notunterkunft, die nach wie vor daran ist, sich zu stabilisieren. Es wird überall gearbeitet. Zusätzliche Flächen werden freigelegt, um weitere Zelte aufzustellen. Die Atmosphäre ist eigentlich ruhig, aber es ist wie in einem Ameisenhaufen.
Die Schweiz hat vor allem bei der Wasserversorgung mitgeholfen. Was wurde da gemacht?
Es gab keine Trinkwasserverteilung. Weil man am Anfang nicht daran gedacht hatte, Verteilpunkte ins Zeltlager einzuplanen. Inzwischen haben wir acht solcher Tanks im Lager installiert. Sie sollen für alle den Zugang zu sauberem Trinkwasser sicherstellen.
Es gab Kritik, dass die Schweiz mit ihrer Hilfe missliche Bedingungen der Flüchtlinge zementiere, statt Menschen aufzunehmen. Was sagen sie dazu?
Das hier ist eine Notunterkunft. Was ist die Alternative? 12'000 Menschen waren über Nacht ohne Unterkunft und ohne Zugang zu Wasser und medizinischer Versorgung. Es ging darum, schnell und geordnet Unterstützung für die Notunterkunft zu liefern. Ich bin der Erste als Humanitärer, der sagt, dass das nicht die Lösung ist. Aber heute brauchen die Menschen ein Dach. Da kann die humanitäre Hilfe der Schweiz helfen. Das haben wir umgesetzt.
Es gab auch Kritik, dass das neue Camp auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz steht. Es gab Berichte von Experten, die das Gebiet nach wie vor nach Minen durchsuchen. Ist das ein guter Ort für Nothilfe?
Nein, aber was ist die Alternative? Die Bauern wollen ihr Land aus nachvollziehbaren Gründen nicht für ein Lager hergeben. Die Regierung war gezwungen, öffentliches Land zu finden. Der Truppenübungsplatz wurde nach Minen und Blindgängern abgesucht und gilt heute als sicher. Aber es ist natürlich kein idealer Ort. Ich werde am Mittwoch bei den Behörden in Athen auf die temporäre Lösung hinweisen. Dass es akzeptabel für ein paar Monate ist und selbstverständlich keine Dauerlösung.
Dass ist akzeptabel für ein paar Monate und selbstverständlich keine Dauerlösung.
Bald kommen die Winterstürme. Ist das Lager bereit?
Die Zelte werden jetzt für den Winter und die grossen Regenfälle vorbereitet. Samt den Drainagen, damit das Wasser abfliessen kann. Die Arbeit muss in wenigen Wochen gemacht werden. Es hat hier ein ganzes Heer von humanitären Organisationen, auch UNO-Agenturen. Das muss koordiniert umgesetzt werden.
Die Schweiz hat sich bereiterklärt, 20 Minderjährige aufzunehmen. Ist das genug?
Das ist eine politische Frage und das Staatssekretariat für Migration dafür zuständig. Die humanitäre Hilfe versucht, Hilfe vor Ort zu leisten und menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen. Es gibt keine humanitäre Lösungen für politische Probleme. Es ist sehr wichtig, dass die humanitäre Hilfe in einer politischen Diskussion stattfinden kann. Selbstverständlich ist die Migrationspolitik ein Teil davon.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.