Das Influencer-Paar Liang Liang und Li Jun gibt auf den chinesischen Sozialen Medien Einblick in ihr Leben in der ländlich geprägten Provinz Henan. Sie posten Videoclips über ihre Arbeit, über ihre Pläne und darüber, wie sie mit ihrem hart Ersparten ihre erste Wohnung erwerben.
Wie Millionen andere Chinesinnen und Chinesen kaufen sie die Wohnung, bevor diese gebaut ist. Und wie bei Millionen anderen wird der Traum vom Eigenheim zum Albtraum: Der Bau gerät ins Stocken.
Als die Influencer den Immobilienentwickler zur Rede stellen wollen, eskaliert die Situation. Sie werden von Mitarbeitern der Firma tätlich angegriffen. Das Paar verstummt. Ob freiwillig, ist nicht klar.
Dieser Fall – auf der einen Seite – und die Liquidationsanordnung für den Immobilienkonzern Evergrande des Gerichtes in Hongkong – auf der anderen Seite – zeigen das Ausmass der Immobilienkrise in China. Und sie machen die Probleme deutlich, vor welchen Peking steht.
Stabilität um jeden Preis
China will gegenüber den internationalen Investoren das Gesicht wahren und zeigen, dass deren Rechte respektiert werden. Gleichzeitig sollen die Millionen Chinesinnen und Chinesen, die ihr Erspartes in nie fertiggestellte Wohnungen gesteckt haben, doch noch zu ihrem Eigenheim kommen.
«Das sind zwei verschiedene Ziele, aber letztlich geht es um die Vermeidung systematischer Risiken. Finanzieller Risiken und sozialer Risiken», sagt die Chefökonomin der Hangseng-Bank, Dan Wang.
Dabei stellt das soziale Risiko, also eine unzufriedene Bevölkerung, vor allem auch ein Risiko für die politische Führung dar. Peking nimmt das ernst. Für die Regierung habe die Bereitstellung von Wohnraum schon immer erste Priorität gehabt, sagt Wang.
Dabei gehe es um Stabilität. Und Stabilität sei schon immer das Wichtigste gewesen. So hat Peking Banken wie Provinz und Lokalregierungen angehalten, die strauchelnden Immobilienkonzerne zu unterstützen, damit diese die verkauften Wohnungen doch noch fertigstellen können.
Schlechte Karten für ausländische Investoren
Die Zentralregierung selbst will vor allem in Randregionen und bei Sozialwohnungen aushelfen. Fraglich bleibt, wie es mit den internationalen Investoren aussieht, die in Hongkong vor Gericht Recht erhalten haben. Wird China es zulassen, dass ein Hongkonger Liquidator auf Festlandchina Werte einziehen und veräussern kann, um die Schulden von Evergrande zu begleichen?
«Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass chinesische Investoren bevorzugt behandelt werden», sagt Gary Ng, Ökonom beim Vermögensverwalter Natixis. Für die gesellschaftliche Stabilität werde natürlich auch auf die Leute geschaut, die auf ihre Wohnungen warteten. Die internationalen Investoren wiederum würden wohl zu den Verlierern der Krise.
Das Influencer-Paar Liang Liang und Li Jun sind derweil wieder aufgetaucht. Sie berichten, wie sie in die Millionenmetropole Hangzhou nahe Shanghai gezogen sind. Ob ihre Wohnung fertig gebaut wird oder ob sie ihr Geld wieder erhalten haben, ist nicht klar.
Das Paar spricht nur vom «Neuanfang». Eine schnelle und einfache Lösung, wie das Paar in den Sozialen Medien nahelegt, gibt es für die chinesische Regierung nicht. Die Krise im wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes zu überwinden, wird wohl noch Jahre dauern.