Indien hat begonnen, im Land produzierte Corona-Impfstoffe ins Ausland zu verkaufen. Am Freitag trafen erste Lieferungen des britisch-schwedischen Impfstoffs Astrazeneca aus Indien in Brasilien und Marokko ein. Neben dem Verkauf des Corona-Impfstoffs gibt Indien aber auch Hunderttausende Dosen kostenlos an Länder in der Region ab.
Zunächst werden die Nachbarländer Bhutan, Malediven, Bangladesch, Nepal und Myanmar sowie die Seychellen gratis mit Impfstoffen beliefert. In den Empfängerländern wolle Indien auch das Impfpersonal schulen, hiess es in einer Mitteilung des Aussenministeriums. Neben dem im Land produzierten Impfstoff von Astrazeneca ist in Indien ein zweiter, eigens entwickelter Impfstoff mit dem Namen «Covaxin» zugelassen.
Covaxin wurde von der einheimischen Firma Bharat Biotech mit Unterstützung der Regierung entwickelt. Diese hatte ihm Anfang Jahr eine Zulassung erteilt, obwohl er sich noch in Phase 3 der klinischen Studien befindet und noch keine Daten zur Wirksamkeit vorliegen. Auch, was die Nebenwirkungen angeht, sei noch vieles unklar, sagt SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn in Mumbai.
Abnehmende Impffreudigkeit in Indien
Indien hat am 16. Januar mit seiner breit angelegten Impfkampagne gestartet. Zunächst werden Mitarbeitende des Gesundheitswesens und Risikogruppen gegen Covid-19 geimpft. Dabei wurde von Nebenwirkungen berichtet.
«Diese waren meist nicht allzu gravierend und vorübergehend – Kopfschmerzen, Fieber –, aber sie haben den Hersteller von Covaxin dazu bewogen, die Menschen mit Vorerkrankungen aufzufordern, sich vorerst nicht impfen zu lassen», so Gutersohn. Dies habe dazu geführt, dass die Impffreudigkeit im Land nachgelassen hat. «Viele Leute sind verunsichert.»
Verglichen mit der Bevölkerungsanzahl sind die gelieferten Impfdosen aus Indien klein, zumal die Impfung zweimal verabreicht werden muss: Bangladesch mit über 161 Millionen Einwohnern erhielt vergangene Woche zwei Millionen Impfungen, Bhutan (750'000 Einwohner) bekommt 150'000 Dosen, die Malediven (515'000 Einwohner) 100'000. «Indien hat versprochen, weitere Impfungen zu liefern – allerdings dann nicht mehr gratis», so Gutersohn.
Gratis-Impfstoffe als Einflussmittel
Für die Länder bleibe für den Moment nicht viel mehr übrig, als dankbar zu sein für den Gratis-Impfstoff. «Während andere Länder erst einmal für sich schauen, gibt Indien Impfstoffe frei – dies natürlich nicht ganz uneigennützig», sagt der Korrespondent. «Indien versucht damit, seinen Einfluss in der Region geltend zu machen, auch gegenüber China.» Die Nachbarstaaten leben seit der Kolonialzeit in einem konfliktreichen Verhältnis.
Auch Peking verteilt aus politischen Interessen Covid-19-Impfstoffe zu geringen Preisen an ärmere Länder. Mit Infrastrukturprojekten gewinne China zunehmend an Einfluss in der Region. «Neu-Delhi betrachtet Nepal, Bhutan und Bangladesch als seinen Hinterhof. Mit der Impfkampagne versucht es nun, Gegengewicht zu geben und die Abhängigkeit dieser Länder gegenüber Indien zu stärken», so Gutersohn.