30 Millionen Impfungen bis Weihnachten, so lautet das Ziel des künftigen Kanzlers Olaf Scholz. Es soll geboostert werden, was die Spritzen hergeben; und erst- oder zweitgeimpft, wer nicht bei drei auf dem Baum ist. Doch wer nachrechnet, merkt schnell: Es könnte knapp werden, um nicht zu sagen unmöglich.
Zu wenig Impfstoff
Um 30 Millionen zu erreichen, müssten täglich rund 1.3 Millionen Spritzen verabreicht werden. Diese Woche waren es im Schnitt gerade mal rund 800'000. Am meisten Impfdosen waren am 9. Juni 2021 verabreicht worden: gut 1.4 Millionen. Ein einsamer Rekord, den Deutschland ab sofort täglich schaffen müsste.
An der Impfstoff-Menge werde es nicht scheitern, versprach Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn. Doch in dieser Pandemie hat er schon vieles versprochen, was der Realität nicht standhalten konnte. Zurzeit melden diverse Impfzentren und Arztpraxen, sie müssten Impfwillige unverrichteter Dinge nach Hause schicken, weil zu wenig Stoff geliefert werde.
Impfpflicht ab Februar 2022 möglich
Termine sind mancherorts bis Februar keine mehr zu bekommen, impfende Ärztinnen und Ärzte gibt es viel zu wenige, und die Menschenschlangen vor Impfzentren grenzen ans Absurde. Und noch ist die Sache freiwillig. Ab Februar nächsten Jahres soll die Corona-Impfung verpflichtend sein, sofern der Bundestag zustimmt.
Das höchste Gericht im Land hatte den Weg dafür freigemacht, mit einem Urteil, das drastische Massnahmen wie Ausgangssperren und Schulschliessungen für verfassungsmässig erklärte. Die Politik erhält damit die Freiheit, zum Wohle aller in Grundrechte einzelner einzugreifen. Nicht von ungefähr kündigte Scholz die Impfpflicht direkt nach der Urteilseröffnung an.
Eine Gewissensfrage
Noch vor Kurzem hätte ihm dafür der Rückhalt bei den eigenen Regierungspartnern gefehlt. Doch das Verfassungsgericht hat mit seinem Urteil ganz nebenbei die Reihen in der Ampel-Koalition geschlossen. Die FDP hatte, damals noch in der Opposition, gegen die rigiden Corona-Massnahmen geklagt und muss nun zerknirscht einlenken. Sie wird Scholz wohl nicht im Wege stehen.
Ohnehin will der künftige Kanzler die Impfpflicht zu einer Gewissensfrage machen. Es soll keinen Fraktionszwang geben, jeder und jede soll die Entscheidung frei treffen können. Eine Mehrheit im Bundestag scheint wahrscheinlich.
Bis dahin: Lockdown für Ungeimpfte
Bis es so weit kommt, gilt faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, beziehungsweise 2G in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Kultur- und Freizeitveranstaltungen werden nur noch für Geimpfte zugänglich sein, gleiches gilt für Geschäfte, ausgenommen jene für den täglichen Bedarf.
Ausserdem könnten Impf-Zertifikate bald nur noch neun Monate lang gültig sein, was auch den Druck auf bereits Geimpfte deutlich erhöht. Geht die Rechnung der Politik auf, dürfte die Impf-Nachfrage weiter steigen. Umso wichtiger, dass das Angebot mithalten kann. Glaubwürdig ist die neue Regierung erst, wenn sie nicht nur fordert, sondern auch liefert.