Beginn des neuen Schuljahres in Russland: Russland führt offiziell ein neues Schulfach ein. Es heisst: Familienkunde. Dabei sollen – laut Leitfaden – die Schülerinnen und Schüler ab 11 Jahren lernen, dass die Familie zu den traditionell russischen Werten gehöre. «Der Unterricht soll die Identität und die Einheit der russischen Gesellschaft stärken», sagt SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie.
Das sind die Lernziele: Die Kinder sollen lernen, dass es eine Familie stärke, wenn man viele Kinder hat. Sie sollen auch ihre eigene Zukunft mit der Idee einer grossen Familie verbinden. «Der Hintergedanke ist klar Indoktrinierung», analysiert MacKenzie. Der Kreml wolle sogenannte «traditionelle» Werte vermitteln, die im Leitfaden aufgezählt werden: Keuschheit, Heirat, viele Kinder. «Damit will sich Russland vom ‹degenerierten› Westen abheben.» Als «Degenerierung» gelten nach russischer Interpretation zum Beispiel Rechte für LGBTQ-Menschen.
Ersatz für die Sexualkunde: Umfragen in Russland zeigen schon lange, dass eine Mehrheit der Jugendlichen und der Eltern ein Fach Sexualkunde begrüssen würden. Doch schon vor zehn Jahren sagte der Beauftragte für Kinderrechte in Russland, dass es Sexualkunde nie geben werde, weil das gegen russische Traditionen und Werte verstossen würde. Dass nun das Fach Familienkunde als Ersatz für die Sexualkunde gelten solle, zeige die ideologische Position des Kremls, sagt der Korrespondent.
Hier sieht man, dass Putins ideologische Positionen oft Mittel zum Zweck sind.
Schulfach gegen Bevölkerungsschwund: Im Leitfaden zum neuen Fach Familienkunde steht direkt, dass man mit diesem Fach die demografischen Probleme Russlands angehen will. Russlands Bevölkerung geht zurück, weil viele Menschen aus Russland auswandern – und praktisch niemand mehr einwandert – und weil viele Männer im besten Alter an der Front sterben. «Hier sieht man, dass Putins ideologische Positionen oft Mittel zum Zweck sind.» Schon heute kämpft Russland mit einem Mangel an Arbeitskräften.
Weiteres Schulfach: In den russischen Schulen gibt es seit rund zwei Jahren das Schulfach «Gespräche über Wichtiges». Da solle den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, dass mit der sogenannten «Spezialoperation in der Ukraine» die historische Gerechtigkeit wiederhergestellt werde und dass echte Patrioten bereit seien, Russland mit Waffen zu verteidigen.
Das sagen die Eltern dazu: Die beiden Schulfächer sind nicht obligatorisch. Allerdings hätten Eltern, die ihre Kinder nicht zu diesem Unterricht schicken, Besuch von der Polizei bekommen, erzählt der SRF-Korrespondent. Doch viele Eltern machten sich keine Sorgen, dass ihre Kinder indoktriniert würden, sagt er, denn die Lehrer würden diese Fächer oft nicht ernst nehmen.