Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen ist tot. Mit ihm wurde erstmals eine ganze Waffengattung eliminiert. Zunächst hat Russland ihn verletzt, dann haben ihn die USA gekündigt. Damit wird die Welt erheblich unsicherer.
Weder in Moskau noch in Washington hat man in den vergangenen Monaten ernsthaft versucht, den INF-Vertrag zu retten. Und damit einen der historisch wichtigsten Abrüstungsverträge, 1987 unterzeichnet von US-Präsident Ronald Reagan und seinem sowjetischen Amtskollegen Michail Gorbatschow. Das Abkommen hat die Lage zwischen den beiden Mächten gewaltig beruhigt, für Transparenz gesorgt dank gegenseitiger Beobachtung, und es beendete in Europa die bittere Nachrüstungsdebatte der 1980er-Jahre.
Atomares Wettrüsten droht
Doch seit mehreren Jahren verletzt Russland den INF-Vertrag mit dem Bau und der Stationierung seiner SSC-8-Marschflugkörper. Das bestreitet man zwar in Moskau. Nicht nur die USA, sondern auch die europäischen Nato-Mitglieder und Militärexperten sind aber überzeugt vom russischen Vertragsbruch. Die USA haben deshalb im Februar den Vertrag gekündigt; jetzt läuft die Kündigungsfrist aus.
Das Ende des Abkommens wird im Kreml wie im Weissen Haus atomare Aufrüstungsvorhaben befeuern – und in Europa die Frage neu lancieren, ob man nun auch hier landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen stationieren muss.
Die Nato meint, das sei nicht nötig. Vorläufig. Man wolle zunächst auf konventionelle Waffen setzen. Doch allein die Diskussion dürfte einen Keil zwischen die Staaten Europas treiben. Und die neue Lage verstärkt das Misstrauen zwischen Moskau und Washington zusätzlich. Der Welt droht ein neues atomares Wettrüsten.
Keine Kompromissbereitschaft erkennbar
Zudem steht auch eine Verlängerung des New-Start-Vertrages über atomare Langstreckenwaffen in den Sternen, und Russland wirft den USA bereits vor, den Atomteststoppvertrag brechen zu wollen.
Über neue, umfassendere Abrüstungsabkommen, die auch China einbinden sollen, wird zwar vage gesprochen. Doch sie sind weithin nicht in Sicht. Kompromissbereitschaft ist keine zu erkennen – nicht in Washington, nicht in Moskau, nicht in Peking.