Darum geht es: Ein inoffizielles Dokument (ein sogenanntes Non Paper), das der EU bereits im Februar als Diskussionsgrundlage übergeben worden sei, thematisiert eine neue Grenzziehung im Balkan. Nach diesem Vorschlag würden Albanien und Kosovo vereinigt, Bosnien-Herzegowina mehr oder weniger zwischen Kroatien und Serbien aufgeteilt und auf einen muslimischen Reststaat verkleinert. Laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters sieht das Papier die Hindernisse für eine schnellere Integration der Balkanstaaten in die EU bei den ungelösten Nationalitätenfrage. Gelöst würde dies gemäss dem Vorschlag mit einem Gross-Serbien, Gross-Albanien und Gross-Kroatien.
Sind neue Grenzen auf dem Balkan realistisch? Walter Müller ist freier SRF-Mitarbeiter in Belgrad. Er hat sich mit dem Vorschlag beschäftigt und sagt: «Dass die Grenzen im Westbalkan neu gezogen werden, halte ich für unrealistisch.» Das zeigten schon die vielen negativen Reaktionen auf den Vorschlag. «Die EU kommentiert das Papier nicht. Die Idee der ethnischen Teilung widerspricht jedem Grundprinzip der EU.» Laut Müller hat die Idee, die Region nach ethnischen Grenzen aufzuteilen, in den 90er-Jahren zu den Balkankriegen geführt. Diese forderten Hunderttausende von Opfern und Vertriebenen.
Wer ist Urheber des Vorschlags? Erstmals tauchte das Dokument in slowenischen Medien auf. Der slowenische Premierminister Janez Jansa soll es dem Präsidenten der Europäischen Rates, Charles Michel, zugeschickt haben. Laut Nachrichtenagenturen bestreitet Jansa dies.
«Das Gemeine an dem Papier ist, dass die Öffentlichkeit nicht weiss, wer es geschrieben hat. Es ist vollkommen inoffiziell. Es scheint eine Art Luftballon zu sein, der die Reaktionen testen will», so Müller. Es werde spekuliert, dass ein Teil des Dokuments in Budapest geschrieben worden sei, dies deshalb, weil der ungarische Regierungschef Orban und der slowenische Premierminister Brüder im Geiste seien. Beide sind nationalkonservative Autokraten.
Wem eine neue Grenzziehung etwas brächte: «Viele zeigten mit dem Finger auf den serbischen Präsidenten Aleksander Vucic, denn dem serbischen Teil von Bosnien-Herzegowina würde der Anschluss an Serbien erlaubt.» Mit diesem Pfand würde Serbien Kosovo als Staat anerkennen, spekuliere das Non-Paper, sagt Müller. «Doch bis heute beteuert Vucic, das Papier nicht gesehen zu haben», so der Korrespondent. Und Vucic sagte kürzlich in einer bosnischen TV-Sendung, er wolle Frieden, nicht Krieg.
Ein Problem für Slowenien? Nach der Meinung des Korrespondenten Walter Müller handelt es sich bei dem Non Paper um einen Alleingang des rechtskonservativen Regierungschefs Jansa. Allerdings habe dies eine gewisse Brisanz, denn Slowenien übernimmt im Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Der slowenische Präsident Borut Pahor und das Aussenministerium sagten nach Auftauchen des Non Papers sofort, an Sloweniens Politik gegenüber Bosnien-Herzegowina werde sich nichts ändern, Slowenien setze sich für die Integrität des Landes ein befürworte den EU-Beitritt von Bosnien-Herzegowina.