Der konservative Mauricio Macri hat die Stichwahl gegen seinen peronistischen Konkurrenten Daniel Scioli gewonnen. Wer ist dieser neue argentinische Präsident?
Ulrich Achermann: Etwas salopp könnte man sagen, Macri sei Sohn von Beruf. Er stammt aus schwerreichem Haus. Er hat ein Ingenieurdiplom und war zwölf Jahre lang Präsident des Fussballvereins Boca Juniors, dem bekanntesten und beliebtesten Verein in ganz Südamerika. Es war die erfolgreichste Zeit des Klubs.
Die Hauptstadtbewohner kennen Macri bereits. Er hat die Stadt in den letzten Jahren modernisiert. Wird von ihm nun erwartet, dass er das mit dem ganzen Land macht?
Im Wesentlichen natürlich schon. Wobei man auch zu seiner Rolle als Bürgermeister einige Einschränkungen oder Präzisierungen machen muss. Er hat Buenos Aires acht Jahre lang regiert. Er hat sehr viel in die Infrastruktur investiert. Dabei hat er aber zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau und andere Dinge vernachlässigt. Die Bilanz Macris als Bürgermeister von Buenos Aires könnte wesentlich besser ausfallen. Aber Christina Kirchner, die bisherige Präsidentin, hat immer wieder dazwischengefunkt und der Bundeshauptstadt Staatsmittel vorenthalten.
Argentinien verdient sein Geld vor allem mit Rohstoffen. Aber viele Rohstoffepreise sind im Keller. Das dürfte die Aufgabe von Macri wohl kaum erleichtern...
Das ist tatsächlich so. Doch mit Soja zum Beispiel lässt sich nach wie vor Geld verdienen. Macri muss jetzt vor allem zusehen, dass er die Defizite und Ungleichgewichte im Inland irgendwie korrigieren kann. Das läuft auf eine Abwertung des Peso hinaus. Eine solche schöpft bei den Löhnen Kaufkraft ab und löst einen Preisschock aus. Das wird über kurz oder lang zu sozialen Problemen führen.
Das sind die wirtschaftlichen Herausforderungen. Welche sind die politischen Baustellen des neuen Präsidenten?
Da gibt es einige. Argentinien hat sich in den Kirchner-Jahren praktisch vom lateinamerikanischen Umfeld verabschiedet. Das Land hat im Grunde nur noch mit China, Venezuela und Russland Handel betrieben. Es hat mit ihnen eine gewisse Freundschaft gepflegt und dabei den wichtigsten Partner überhaupt, Brasilien, weitgehend vernachlässigt. Das wird sich nun ändern müssen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.