Eine Woche vor der Brexit-Abstimmung ist der Streit bei den Tories um einen möglichen Austritt Grossbritanniens aus der EU eskaliert. Im Unterhaus haben sich Befürworter und Gegner aus der Konservativen Partei ein gehässiges Wortduell geliefert. Draussen auf der Themse geriet eine Inszenierung der EU-Skeptiker zur Wasserschlacht.
Die Briten sind bekanntlich Seefahrer, deshalb wohl hat Nigel Farage, Chef der anti-europäischen Ukip-Partei, in London ein Geschwader auf der Themse versammelt, um gegen die Fischereipolitik der EU zu protestieren. Doch er stiess überraschend auf eine feindliche Flotille, befehligt vom irischen Popsänger Bob Geldof:
You are no fisherman's friend. You're a fraud, Nigel, go back down the river 'cause you're up without a canoo, or a paddle.
«Du bist kein Freund der Fischer», brüllte Geldof in Anspielung auf ein bekanntes Pfefferminz-Bonbon. «Du bist ein Betrüger, Nigel. Geh zurück, denn Du hast kein Kanu und kein Paddel.» Es ist eine Redensart für eine ausweglose Situation.
Finanzminister droht mit Not-Budget
Die wirkliche Schlacht fand jedoch im Unterhaus statt: Tories gegen Tories bis aufs Messer. Schatzkanzler George Osborne kündigte einen Not-Haushalt mit drastischen Einschnitten im Falle eines Brexit an. Er verbündete sich mit dem Labour-Abgeordneten Alistair Darling, um den Weltuntergang im Falle eines EU-Austritts zu verkünden.
We know what happens when you lose control over the economy. A vote to leave would do it to us all over again. You know, you have to cut your cloth accordingly. The country would not be able to afford the size of the public services we have at the moment and we would have to increase taxes.
Beide wüssten, was geschehe, wenn die Kontrolle über die Wirtschaft entgleite. Der Staat rutsche ins Defizit und schmerzhafte Korrekturen seien unvermeidlich, warnten sie. Ein Brexit würde das alles wiederbringen. Massive Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in bisher sakrosankten Bereichen wie Gesundheit, Verteidigung und Schulen wären laut Osborne und Darling die Folgen.
Befürworter rebellieren
Ihre Drohung brachte die Brexit-Befürworter auf die Palme. Ian Duncan Smith, bis vor kurzem noch Kabinettskollege Osbornes, schäumte:
Of all the things the Remain campaign have done, this one probably is the most bizarre and ridiculous. And I have to say it's showing behaviour from a chancellor more irresponsible from a chancellor than I have seen at any time.
Das sei der bisher bizarrste und lächerlichste Schritt der EU-Befürworterkampagne. Noch nie habe sich ein Schatzkanzler so verantwortungslos verhalten, sagte Smith.
Während der letzten Fragestunde vor der Abstimmung ärgerte sich der Konservative Jack Lopresti. Trotz Panik und Schwarzmalerei aus der Downing Street sollten die Briten für die Rückkehr zur Unabhängigkeit und Freiheit stimmen, forderte er, was ihm offenen Jubel einbrachte.
If as I hope, despite the panic driven negativity from the Remain camp and Downing Street, the British people vote next week to become a free and independent nation again.
Der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg gab der BBC sein gnadenloses Verdikt: «Der Kanzler [Osborne] muss sich jetzt grundsätzlich beruhigen und aufhören, Unsinn zu erzählen.» Es sei der Gipfel der Arroganz, vor einer Abstimmung mit Strafen zu drohen, wenn das Ergebnis dem Wunschresultat widerspreche. Osbornes Glaubwürdigkeit sei schwer angeschlagen.
The chancellor basically needs to calm down and, regrettably, stop talking nonsense. It is the highth of arrogance, a week before a vote, to say if you don't do as I say I'm going to punish you. I think it is very damaging to George Osborne's credibility as a chancellor.
Deshalb wollen Rees-Mogg und fast 60 seiner Fraktionsgenossen gegen das Not-Budget stimmen, das Osborne im Falle eines Brexit angekündigt hat. Der Abgeordnete Chris Choate ist einer von ihnen. Er werde mit Freuden gegen dieses rachsüchtige Budget stimmen, sagte er.
Beide Seiten schüren Ängste
So basteln Schatzkanzler Osborne und Premier David Cameron weiter an ihrer Angstkulisse. Derweil rufen ihre anti-europäischen Fraktionskollegen die Unregierbarkeit des Königreichs aus: Eine Niederlage mit einem Budget überlebe keine Regierung. Auch von der Labour-Partei ist dazu keine Schützenhilfe zu erwarten, wie Parteichef Jeremy Corbyn am Mittwoch klarstellte.
Noch bevor die Brexit-Abstimmung überhaupt stattgefunden hat, sind die Konservativen zutiefst gespalten. Eine handlungsfähige Tory-Partei bleibt ein Wunschtraum, egal wie die Briten entscheiden.