Über den Copiloten von Unglücksflug 4U 9525 werden neue schockierende Erkenntnisse bekannt. Er war am Absturztag krankgeschrieben. Germanwings erreichte diese Information aber offensichtlich nie.
Der Copilot des abgestürzten Airbus hat nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber Germanwings eine Erkrankung verheimlicht. Die Fahnder entdeckten bei dem 27-Jährigen zu Hause «zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen», wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mitteilte. Ein Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben wurden nicht gefunden.
Co-Pilot verheimlichte Krankheit
Ermittler hatten zwei Wohnungen des Mannes durchsucht, der aus Montabaur bei Koblenz stammte und seit 2013 als Copilot für Germanwings flog. Sichergestellt wurden Dokumente, «die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen», erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Über die Art der Erkrankung wurde nichts mitgeteilt, die Ermittler hatten aber nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht.
Das Universitätsklinikum Düsseldorf bestätigte, dass der Co-Pilot dort Patient war. «Meldungen, wonach Andreas L. wegen Depressionen in unserem Haus in Behandlung gewesen sei, sind jedoch unzutreffend», erklärte eine Sprecherin.
«Bild berichtet von schweren Depressionen
Der Fluggesellschaft Germanwings lag nach eigenen Angaben keine Krankschreibung des Copiloten vor. Das deutsche Luftfahrt-Bundesamt bat das Aeromedical-Center der Lufthansa um Akteneinsicht.
Zuvor berichtete «Bild», dass sich der 27-Jährige vor sechs Jahren insgesamt eineinhalb Jahre in psychiatrischer Behandlung befand. Er sei in seinen Flugschulkursen mehrfach wegen Depressionen zurückgestuft worden. Bei Abschluss seiner Ausbildung 2009 wurde dem Bericht zufolge eine «abgeklungene schwere depressive Episode» diagnostiziert.
Auch vor dem Flugzeugabsturz habe er sich in «besonderer, regelmässiger medizinischer Betreuung befunden», zitiert «Bild» unter Berufung auf nicht näher beschriebene interne Unterlagen.
Gauck an Gedenkgottesdienst
Bundespräsident Joachim Gauck nahm am Vormittag an einem Gedenkgottesdienst im westfälischen Haltern teil. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des dortigen Gymnasiums waren an Bord des Airbus, der am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen an einem Bergmassiv zerschellte.
Gauck versprach den Angehörigen der Absturzopfer Unterstützung. Es entstehe ein «Band des Mitleidens und Mittrauerns», sagte er nach dem Gottesdienst in Haltern. Er wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begleitet.
Fieberhafte Suche nach Blackbox
Bei den Bergungsarbeiten am Absturzort konnten die Einsatzkräfte bislang nur Leichenteile sammeln. «Wir haben bisher keinen einzigen intakten Körper geborgen», sagte ein Sprecher der Gendarmerie in Seyne-les-Alpes.
Er sprach von rund 400 bis 600 gefundenen Leichenteilen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Suche nach dem zweiten Flugschreiber, der weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit liefern könnte. Die Suche wurde am Abend für die Nacht unterbrochen.
Germanwings eröffnet am Samstag in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige. Von den etwa 50 Angehörigen, die am Donnerstag die Unglücksstelle besucht hatten, flogen die meisten wieder zurück nach Deutschland. Der Bundesrat gedachte zu Beginn seiner Sitzung der Opfer, unter denen laut Auswärtigem Amt 75 Deutsche sind.
Hinterbliebene der Opfer sollen eine finanzielle Überbrückungshilfe von jeweils bis zu 50'000 Euro bekommen. Eine Lufthansa-Sprecherin bestätigte einen entsprechenden «Tagesspiegel»-Bericht.
Pilotenverband klagt über Verrat
Der französische Pilotenverband SNPL will derweil im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Absturz Anzeige wegen Verrats von Berufsgeheimnissen erstatten.
Grund sind Berichte der «New York Times», die Informationen auf Basis des Stimmrekorders des Airbus noch vor der Medienkonferenz des Staatsanwalts verbreitet hatte. Das bedeute, dass es eine undichte Stelle gegeben habe, sagte der Präsident der Pilotenvereinigung.