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International «Das Problem ist nicht auf Grundlage der Nächstenliebe zu lösen»

Seit Montag ist die Grenze zwischen Serbien und Ungarn zu. Ein 175 Kilometer langer Zaun soll die Tausenden von Flüchtlingen abhalten, die auf der Balkanroute unterwegs sind. Ungarns Sozialminister Zoltan Balog verteidigt diesen Entscheid.

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Der ungarische Sozialminister Zoltan Balog im Interview
aus SRF 4 News aktuell vom 16.09.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 54 Sekunden.

SRF News: Ungarn will nun nur noch wenigen, ausgewählten Flüchtlingen Asyl gewähren. Nach welchen Kriterien werden diese Flüchtlinge ausgewählt?

Zoltan Balog: Priorität haben Familien mit Kindern. Ich war in dieser Transitzone. Dort machen die Migranten untereinander aus, wem sie den Vortritt lassen wollen. Diese dürfen dann hineinkommen und bekommen ein geregeltes Verfahren. Sie werden gemäss ihrer humanitären Bedürfnisse versorgt. Wenn sie einen Asylantrag stellen, werden sie registriert und in ein Zentrum gebracht, wo sie das Ende des Verfahrens abwarten können.

Viele können nicht mehr nach Ungarn einreisen. Sie halten sie mit umstrittenen Massnahmen davon ab. Eine davon ist diese Transitzone, die die UNO bereits kritisiert hat. Rechnen Sie mit weiteren Beschwerden?

Unsere Aufgabe ist klar in den ungarischen Gesetzen, in der Verfassung und in den europäischen Regelungen vorgeschrieben: Wir müssen die Schengengrenze schützen. Es darf für die Flüchtlinge nur legale Möglichkeiten geben, einzureisen. Gibt es eine bessere Methode? Niemand hat einen besseren Vorschlag gemacht. Wenn jemand einen besseren Vorschlag macht, werden wir darüber nachdenken.

Wenn die Beschädigung der Grenze oder der illegale Übertritt eine Straftat ist, dann ist das eine Straftat.

Die Kriminalisierung der illegal Einreisenden ist umstritten. Es gibt Leute, die sagen, damit verstiesse Ungarn gegen das Völkerrecht …

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Die Glückskette ruft zu Spenden für die Flüchtlinge auf. Diese können auf das Konto 10-15000-6 (Vermerk «Flüchtlinge»), auf www.glueckskette.ch oder via App «Swiss Solidarity» überwiesen werden.

Ich denke, wenn die Beschädigung der Grenzanlagen respektive der illegale Eintritt durch diese Grenze eine Straftat ist, dann ist das eine Straftat. Die Leute, die hier mit einem Gesetzesbruch hineinkommen, müssen dies zur Kenntnis nehmen. Wir wollen jedem helfen, der wirklich ein Flüchtling ist. Aber was wir hier sehen, ist nicht in erster Linie ein Flüchtlingsproblem, sondern eine Migrationswelle, auf die weder Ungarn noch Europa vorbereitet ist. Insofern stimmt es: Die aktuelle Regelung in Bezug auf Migration, die vielleicht zehn oder zwanzig Jahre lang funktioniert hat, funktioniert nicht mehr. Wir müssen über neue Regelungen nachdenken.

Derzeit sieht so aus, als ob die Politik der Abschottung und der Abschreckung funktionieren würde. Die Flüchtlinge haben schon eine neue Route – sie reisen jetzt über Kroatien und Slowenien weiter. Sind Sie überrascht, dass das so schnell ging?

Das zeigt, wie effektiv Menschenschmuggler arbeiten und wie schnell sie sich umgestellt haben. Das ist ein wahnsinnig grosses Geschäft geworden in dieser Region. Wenn wir in Europa so gut organisiert wären wie die Menschenschmuggler, wäre ich glücklicher als ich es jetzt bin.

Wenn wir in Europa so gut organisiert wären wie die Menschenschmuggler, wäre ich glücklicher als jetzt.

Aber die Lösung ist eine Lösung für Ungarn. Ein Zaun hilft einem Land. Ganz Europa kann nicht dasselbe tun. Die Flüchtlinge suchen einen Umweg. Ist das nicht egoistisch? Werden Sie nicht Kritik einstecken müssen von ihren EU-Partnern?

Wir werden uns dieser Kritik stellen. Aber mich stören die Worte, die Sie verwenden – Abschottung und Abschreckung: Wir schützen unsere Grenze, das ist unsere Pflicht. Wenn Europa nicht in der Lage ist, uns in dieser Sache zu schützen, dann müssen wir das selber tun. 200‘000 Menschen sind in den letzten paar Monaten durch Ungarn marschiert. Das ist die Einwohnerzahl der zweitgrössten Stadt von Ungarn. Wer kam uns zur Hilfe? Wir mussten uns selber schützen. Wir bitten die europäischen Autoritäten, über gemeinsame Lösungen nachzudenken.

Wie stellen Sie sich eine solche gemeinsame Lösung vor?

Wir haben einige Vorschläge, die unser Ministerpräsident Viktor Orban beim nächsten Gipfel verbreiten wird. Es ist sehr wichtig, dass wir zwei Dinge unterscheiden: Das Flüchtlingsproblem, bei dem Menschlichkeit und Humanität erstes Gebot sind, und die wirtschaftliche Migration, bei der jedes Land selber entscheiden muss, wie viele Leute es aufnehmen will, je nachdem, welche Defizite es auf dem Arbeitsmarkt hat. Für diese beiden Dinge muss man verschiedene Regelungen finden. Bei den Flüchtlingen ist das Problem, dass Europa diese aufnehmen muss. Das tun wir auch. Das andere ist ein Problem der nationalen Ökonomie. Wenn Deutschland denkt, es brauche junge Leute aus dem Nahen Osten, um diese als Arbeitskräfte einzusetzen, dann soll das Deutschland machen. Wir in Ungarn denken da anders. Wir haben andere Probleme mit der Integration und dem Arbeitsmarkt, die wir lösen müssen. Aber diese beiden Probleme muss man scharf trennen, und dazu werden wir Vorschläge machen.

Wenn Deutschland denkt, es brauche junge Leute aus dem Nahen Osten, um diese als Arbeitskräfte einzusetzen, dann soll das Deutschland machen.

Schmerzt es Sie als ehemaligen Pfarrer nicht, wenn Sie sehen, dass da zehntausende offensichtlich arme Leute kommen und abgewiesen werden?

Natürlich tut mir das als Privatperson und meiner eigenen Kirchgemeinde weh. Ich tue mein Bestes. Ich sammle für diese Leute Kleider und Essen und Geld. Unsere Aktivisten gehen dorthin und versuchen, diesen Menschen zu helfen. Aber dieses Riesenproblem ist nicht auf der Grundlage der persönlichen Nächstenliebe zu lösen. Was wir tun können aufgrund unserer persönlichen Beziehungen, das sollen wir auch tun. Aber das grundsätzliche Problem müssen jene lösen, die für ein Land oder einen ganzen Kontinent verantwortlich sind.

Das Gespräch führte Urs Bruderer.

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