Zur zweiten Westbalkan-Konferenz werden Bundeskanzlerin Angela Merkel, die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi sowie die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien in Österreichs Hauptstadt erwartet.
Das Treffen soll das Bekenntnis unterstreichen, dass die Balkanstaaten in der EU eine Heimat finden können. Doch ist eine solche Perspektive für diese Länder überhaupt noch gerechtfertigt? «Die Beitrittsfähigkeit ist nicht eine mathematische Kategorie, sondern eine politische», sagt Dušan Reljić. Er ist Leiter des Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik in Brüssel. Eine Güterabwägung sei im Gang.
Für die EU sei es sehr wichtig, dass das kleine, von EU-Ländern umgebene Gebiet im Südosten Europas bald Mitglied werde. Denn: «Die EU ist in erster Linie ein Sicherheitsprojekt», erklärt der ehemalige Journalist. «Sie soll verhindern, dass es auf dem Kontinent je wieder zu militärischen Auseinandersetzungen kommt.»
Aus Angst vor Populismus stelle die EU derzeit aber zu hohe Ansprüche an die schwachen Staaten. Nur Slowenien (2004) und Kroatien (2013) sind bisher in die EU aufgenommen worden. Laut Reljić lautet die zentrale Frage darum: «Wollen wir perfekte Kandidaten, oder wollen wir Frieden und Ordnung in Europa sicherstellen?»
Gründe für schlechte Wirtschaftslage
Der schlechte Zustand der Balkanstaaten hat gemäss Reljić drei Hauptursachen. So seien die Folgen der Jugoslawienkriege der 90er-Jahre immer noch spürbar: «Der Zerfall Jugoslawiens hat eine Atomisierung der Wirtschaft in der Region bewirkt.»
Ausserdem sei die Regierungsführung in den Nachfolgestaaten nicht optimal. «Es gibt viel Korruption, und mit jedem Regierungswechsel wird ein Grossteil der Beamten ausgetauscht», weiss der aus Serbien stammende Reljić. Und auch die Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich auf Südosteuropa, dessen Aussenhandel stark von der EU abhängt, ausgewirkt. «Wenn die Nachfrage bei den wichtigsten Wirtschaftspartnern Deutschland und Italien nachlässt, leidet die Region.»
Keine Hoffnung auf bessere Zukunft
Die Konsequenz: Bessergebildete und Jüngere wandern aus. «Zurück bleiben jene, die sich grossen Veränderungen entgegensetzen», so Reljić. Dies führe wiederum dazu, dass Reformen ausbleiben. «Der Rechtspopulismus gewinnt an Einfluss. Und die Mittelschicht – wichtig für eine stabile gesellschaftliche Ordnung – wird dünner.»
Von der Westbalkan-Konferenz erwartet Reljić abgesehen vom «Austausch diplomatischer Floskeln» nicht viel. Er schliesst aber nicht aus, dass ein Abkommen über Investitionen im Energiebereich zustande kommt: «Denn die EU befindet sich derzeit in einer Art Konfrontation mit Russland und hat bemerkt, dass Südosteuropa im Bereich Erdgas und Erdöl ganz von Russland abhängig ist.»