Neun Jahre nach dem «Sommermärchen» droht dem deutschen Fussball ein gewaltiger Skandal. Für den Zuschlag der WM 2006 soll nach einem unbestätigten Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sein.
DFB-Chef Wolfgang Niersbach hat unterdessen die Korruptionsvorwürfe des Nachrichtenmagazins energisch zurückgewiesen. «Das kann ich absolut und kategorisch ausschliessen. Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine ‹Schwarzen Kassen› beim DFB, dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat», sagte der 64-Jährige auf der Webseite des Verbandes.
Niersbach schloss einen Stimmenkauf kategorisch aus: «Das kann ich allen Fußball-Fans versichern. Auch der ‹Spiegel› hat dafür keine Beweise genannt, sondern beruft sich letztlich auf ein angebliches, von einer anonymen Quelle kolportiertes Zitat von Günter Netzer, das der bereits im gleichen Artikel vehement bestritten hat. Nochmal: die WM war nicht gekauft.»
Vier Stimmen aus Asien gekauft?
Wie der «Spiegel» ohne Nennung von Quellen berichtete, sollen vier entscheidende Stimmen aus dem Fifa-Exekutivkomitee gekauft worden sein. Präsident des WM-Organisationskomitees war damals Franz Beckenbauer, der heutige Präsident des Deutschen Fussballbundes (DFB), Wolfgang Niersbach, fungierte als einer der Stellvertreter.
Der Deutsche Fussball-Bund hatte am Freitag zuerst in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband eingeräumt. Den Bericht zu einer schwarzen Kasse und mutmasslich gekauften Stimmen wies der DFB allerdings entschieden zurück.
Die Schlussfolgerungen des «Spiegel» seien durch keinerlei Fakten belegt, hiess es dann in einer weiteren Mitteilung des Verbands am Freitagabend. Der Verband behalte sich rechtliche Schritte gegen den «Spiegel» vor. Die Fifa sprach von «sehr schweren Beschuldigungen» und leitete den Fall an die Audit- und Compliance-Kommission weiter.
Nach «Spiegel»-Informationen soll der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus dem Bewerbungskomitee 13 Millionen Mark – umgerechnet in Euro etwa 6,7 Millionen Euro – als Privatmann geliehen haben. Das Geld ist dem Bericht zufolge eingesetzt worden, um die vier Stimmen der asiatischen Vertreter im Fifa-Exekutivkomitee für sich zu gewinnen.
Knapper Zuschlag für Deutschland
Zusammen mit den europäischen Vertretern war Deutschland bei der entscheidenden Abstimmung auf zwölf Stimmen gekommen. Auf Mitkonkurrent Südafrika entfielen damals elf Stimmen. Der Neuseeländer Charles Dempsey hatte sich enthalten.
Der 2009 verstorbene Louis-Dreyfus soll laut «Spiegel» das Geld eineinhalb Jahre vor der WM zurückgefordert haben. Im April seien daraufhin 6,7 Millionen Euro vom Organisationskomitee an die Fifa gezahlt worden – angeblich für ein Kulturprogramm. Von dort sei es weiter an Louis-Dreyfus gegangen. Eine Zahlung, die der DFB einräumte und «die möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck entsprechend verwendet wurde», wie der DFB mitteilte.
Niersbach selbst hatte als amtierender DFB-Präsident interne Untersuchungen über Zahlungen eines Komitees in Auftrag gegeben, dem er seinerzeit als geschäftsführender Vizepräsident und Medienchef angehörte.
Nach Andeutungen von Fifa-Präsident Sepp Blatter, dass bei der Wahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei, hatte Niersbach 2012 bei Sky Sport News von «komischen Nebelkerzen» gesprochen und sagte: «Wir haben da sauber gearbeitet.»
Von den drei noch lebenden asiatischen Funktionären verweigerten zwei Vertreter auf «Spiegel»-Anfrage auf eine Stellungnahme. Der Südkoreaner Chung Mong-Joon sagte, die Fragen seien es nicht wert, beantwortet zu werden. Chung wurde jüngst von der Fifa-Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt. Ihm werden Verstösse im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 vorgeworfen.
Beckenbauers langjähriger Vertrauter Niersbach war dieser Tage von verschiedenen Seiten als möglicher Platini-Nachfolger und sogar als künftiger Fifa-Präsident ins Gespräch gebracht worden.