Die Zeiten sind lange vorbei, als Europa der Nabel der Welt war. Doch bis heute bringt die Europäische Union viel Gewicht auf die Waage. Sie ist – knapp vor den USA und auch vor China – die Wirtschaftsmacht Nummer eins. In den G7 haben die Europäer mit vier von sieben Stimmen eine Mehrheit. Mit Frankreich und Grossbritannien stellen sie zwei von fünf UNO-Vetomächten.
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Gewiss: Die EU-Länder sind sich nicht immer einig. Aber sie treten trotz aller Differenzen auf der internationalen Bühne oft als ein Block auf. Die EU ist denn auch ein Akteur, mit dem die übrigen Grossmächte und Machtblöcke zu rechnen haben.
Werte schlechter durchsetzen
Mit dem Austritt Grossbritanniens verliert die EU nun an Gewicht. Sollte das britische Beispiel Schule machen und andere Länder austreten, würde sich dieser Effekt noch verstärken. Hinzu kommt, dass ein Europa, das jetzt jahrelang in Turbulenzen stecken und vor allem mit seiner Selbstfindung befasst sein wird, sich weniger Respekt verschaffen kann. Zudem kann es seine Ziele und Werte schlechter durchsetzen.
Militärisch wird dies weniger auffallen. Denn die Nato existiert weiterhin, und Grossbritannien bleibt Mitglied. Auch gibt es im Militärbündnis den mächtigen Partner USA. Politisch und wirtschaftlich jedoch ist der Gewichtsverlust bedeutsam. Er wird rasch spürbar werden, zumal Europa und die USA oft nicht am gleichen Strick ziehen.
Keine frohe Botschaft
Europas Gewichtsverlust mag jene freuen, die – mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang der Kolonialreiche – immer noch überall westliches Dominanzstreben und westliche Überheblichkeit sehen. Doch für die Welt insgesamt und für die Völker rund um den Globus ist ein schwächeres Europa keine frohe Botschaft.
Um drei Beispiele dafür zu nennen: Es waren die europäischen Länder – angetrieben von Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern –, die den Klimawandel zum grossen Thema gemacht haben. Es waren nicht die USA, Russland, China, Indien oder Saudi-Arabien. Es sind die EU-Staaten, die sich am konsequentesten für die Menschenrechte einsetzen, auch wenn sie selbst gewiss nicht immer Musterknaben sind. Und es sind die Europäer, die entwicklungspolitisch am grosszügigsten sind.
Freude bei Potentaten
Ein geschwächtes Europa ist deshalb kein Anlass für Jubel. Freuen dürfen sich einzig die Potentaten und Autokraten dieser Welt: Robert Mugabe, Xi Jinping, Ali Chamenei, König Salman und ihresgleichen – und mit ihnen all jene, welche die Werte verachten, die Europa hochhält.