Bei ihrem jüngsten Auftritt vor dem UNO-Sicherheitsrat nahm Fatou Bensouda, die Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof (ICC), kein Blatt vor den Mund. Auf die Frage, ob man die Erwartungen der Opfer im sudanesischen Bürgerkrieg erfüllt habe, müsse man entschieden sagen: Nein. Noch immer würden im Sudan Menschenrechtsverbrechen begangen, ohne dass jemand dafür bestraft werde.
Bensouda machte auch klar, wer versagt hat: der UNO-Sicherheitsrat. Er sei in zunehmendem Masse untätig. Ohne Unterstützung dieses Rates sei sie aber chancenlos. Und das wiederum ermuntere Übeltäter. Dabei galt der ICC, als er im Jahr 2002 seine Tätigkeit aufnahm, als eine völkerrechtliche, ja zivilisatorische Errungenschaft. Erstmals erhielt die Welt damit ein permanentes internationales Organ, das gegen Straflosigkeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit kämpft.
Eine Niederlage nach der anderen
Die Anfänge waren erfolgversprechend, meint die estnische Diplomatin Tiina Intelmann. Sie leitet die Staatenversammlung, die hinter dem ICC steht. Doch seit Monaten fahren der Gerichtshof in Den Haag und seine Chefanklägerin eine Niederlage nach der anderen ein. In Kenia und im Sudan ist es am extremsten.
Doch blockiert ist auch das Vorgehen gegen Kriegsverbrecher in Libyen. Eine Untersuchung gegen die Drahtzieher der Gräueltaten in Syrien, nicht zuletzt jene des Assad-Regimes, wird vom UNO-Sicherheitsrat verhindert – genauso wie er demnächst fast mit Sicherheit ein Verfahren wegen Menschenrechtsverbrechen gegen die Führungsriege in Nordkorea abblocken wird.
Europa gegen den Rest der Welt
Die grossen Bremser sind Russland und China. Aber auch die USA sind nicht gerade glühende Befürworter der internationalen Strafjustiz. Alle drei Grossmächte sind zudem noch immer nicht Mitglieder des ICC. Die stärkste Unterstützung kommt weiterhin aus Europa.
So war es eine europäische Vertreterin, die UNO-Botschafterin Luxemburgs Sylvie Lucas, die kürzlich dringend mehr Unterstützung für den ICC im Sicherheitsrat forderte – ohne Erfolg.
Regelrecht frustriert äusserte sich neulich der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Die Mächtigen, in Afrika und anderswo, schützten sich vor einer allfälligen Strafverfolgung, indem sie den ICC schwächten. Die aktuelle politische Grosswetterlage trägt zur Blockade bei.
Gerade in Menschenrechtsfragen wird der Graben zwischen dem Westen und weiten Teilen des Rests der Welt wieder grösser. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine weltumspannende Strafjustiz.