Nach mehr als einem Jahr Verhandlungen haben die libyschen Konfliktparteien einen Friedensplan für das Bürgerkriegsland unterzeichnet. Das Papier, das unter UNO-Vermittlung zustande kam, sieht unter anderem die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vor.
Bürgerkrieg seit Sturz von Gaddafi
«Heute ist ein historischer Tag für Libyen», sagte der UNO-Sondergesandte Martin Kobler bei der feierlichen Unterzeichnung in dem marokkanischen Badeort Skhirat.
Allerdings gibt es noch immer Widerstand gegen das Abkommen. Libyen versinkt seit dem Sturz von Muhammar al-Gaddafi 2011 in einem Bürgerkrieg. Verschiedene Milizen kämpfen gegeneinander. Zudem konkurrieren zwei Regierungen und Parlamente miteinander: ein international anerkanntes Parlament im ostlibyschen Tobruk und ein von Islamisten dominiertes Abgeordnetenhaus in Tripolis. Das Chaos machen sich Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zunutze.
Nordafrika-Experte Beat Stauffer zeigt sich im Gespräch mit dem «Echo der Zeit» denn auch skeptisch, ob der nun unterzeichnete Vertrag tatsächlich zur Anwendung kommt: «Es sind derart viele Absichtserklärungen und Vereinbarungen unterschrieben und bekundet worden. Es gibt viele gegensätzliche Interessen in Libyen, so dass es enorm schwierig ist, dieses Abkommen umzusetzen.» Allerdings habe das Vorrücken des IS die Lage im Land dramatisch verändert: «Das könnte vielleicht ein entscheidender Faktor sein, dass die wichtigen gesellschaftlichen Kräfte in Libyen zur Raison gekommen sind», so Stauffer.
Am Beginn einer schweren Reise
Bei der Unterzeichnung des Abkommens in Marokko brandete Applaus auf, die Zuschauer riefen «Libyen, Libyen». Kobler sagte, die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen müsse der Vergangenheit angehören. Alle Beteiligten hätten Opfer gebracht. Er drückte die Hoffnung aus, dass die Unterzeichnung der Beginn eines demokratischen Übergangsprozesses ist. Libyen stehe am Beginn einer schweren Reise.
Neuer Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch
Der UNO-Friedensplan für Libyen sieht Fajis al-Sarradsch als neuen Ministerpräsidenten einer Regierung der nationalen Einheit vor. An ihm wird es liegen, die vielen verfeindeten Gruppen in dem nordafrikanischen Land zusammenzuhalten und Gegner des Friedensplans zu überzeugen.
Al-Sarradsch ist ein Kompromisskandidat, er ist mit keiner der mächtigen Parteien verbunden ist. Das kann von Vorteil sein, weil er als neutral gilt. Aber ihm fehlt zugleich eine Hausmacht, auf die er sich stützen kann. Sitz seiner Regierung soll die Hauptstadt Tripolis sein, die von islamistischen Milizen kontrolliert wird.
Der Vater des 55-Jährigen Architekts war zu Zeiten des libyschen Königreichs Minister. Bis zum Sturz von Muammar al-Gaddafi hatte er keine politische Karriere. Zu Zeiten des Diktators arbeitete er unter anderem für das Wohnungsbauministerium.