Ein Video mit Aufnahmen massiver Polizeigewalt sorgt in Ägypten für Aufruhr. Die Aufnahmen zeigen, wie offenbar am Rande der Oppositionsproteste vom Freitag Polizisten einen Mann nahe dem Präsidentenpalast mit Knüppeln verprügeln und ihm die Kleider vom Leib reissen. Dann wird der Mann nackt über den Boden geschleift und in einen Transporter verfrachtet.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen 50jährigen Arbeiter. Er sei von den Polizisten verfolgt worden, weil er «18 Molotowcocktails und zwei Benzinkanister» bei sich getragen habe.
Die die Nationale Heilsfront, die wichtigste Oppositionsgruppierung in Ägypten, forderte in einer Mitteilung ausserdem den Rücktritt von Staatschef Mohammed Mursi. Sie unterstütze die «Rufe des Volkes» nach einem Sturz «des Regimes der Tyrannei», stand in der Mitteilung.
Mursi müsse wegen der «Verbrechen» vor Gericht gestellt werden, die bei der Niederschlagung der Proteste der vergangenen Tage begangen worden seien.
Mursi verspricht Untersuchungen
Mursis Sprecher Jasser Ali betonte, es schmerze den Präsidenten, solche schockierenden Bilder zu sehen. Dieses Vorgehen von Polizisten sei mit der Menschenwürde unvereinbar. Er hob zugleich hervor, dass es sich um Einzelfälle handle, die untersucht und geahndet werden würden.
Vor gut einem Jahr hatte in Ägypten ein ähnlicher Fall für Empörung gesorgt. Damals - als noch der Militärrat regierte – wurde im Internet ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie eine Demonstrantin von Soldaten brutal verprügelt und entblösst wurde, so dass ihr BH zu sehen war.
Muslimbrüder verurteilen Gewalt
Präsident Mursi und die Muslimbruderschaft verurteilten derweil die jüngsten Ausschreitungen vor dem Präsidentenpalast. Der Sprecher des Staatsoberhauptes forderte nach Angriffen mit Brandsätzen auf den Amtssitz Mursis am Freitagabend die politischen Gruppen auf, die Krawalle zu verurteilen.
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Die Partei der Muslimbruderschaft warf der oppositionellen Nationalen Rettungsfront vor, die Gewalt legitimiert zu haben. Sie verwies insbesondere auf Aufrufe des Friedensnobelpreisträgers Mohammed El Baradei über den Kurznachrichtendienst Twitter zum friedlichen Protest.
«Wie sollen die, die ihre eigenen Anhänger nicht im Griff haben, ein Land regieren?» fragten die Islamisten mit Blick auf die Oppositionsforderung nach einer Regierung der nationalen Einheit. Bei den Ausschreitungen am Freitag in Kairo wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Mensch getötet und 102 verletzt.
Drei Jahre Haft für Ex-Innenminister
Derweil wurde der in Ägypten verhasste langjährige Innenminister unter Präsident Husni Mubarak, Habib al-Adli, zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Ex-Minister habe Polizisten in seinen Privatfirmen arbeiten lassen, berichtete das Staatsfernsehen.
Al-Adli sitzt bereits eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Korruption ab und wartet gemeinsam mit Mubarak auf ein neues Verfahren wegen der Mitschuld am Tod von mehr als 800 Demonstranten bei den Massenprotesten im Arabischen Frühling.