Die USA und ihre Verbündeten sollen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) künftig Stützpunkte in der Türkei nutzen dürfen. Das sagte die nationale Sicherheitsberaterin der USA, Susan Rice, am Sonntagabend. Demnach habe die türkische Regierung zugestimmt, dass von den Militärbasen aus Ziele im Irak und in Syrien angeflogen werden dürften.
Aus dem Ministerpräsidentenamt in Ankara kam dagegen ein Dementi. Die Gespräche über die Bedingungen zur Nutzung der Militärbasen würden noch andauern, hiess es.
Eine Einigung gebe es bislang nur über die Ausbildung syrischer Kämpfer, die gegen die Terrormiliz IS kämpfen sollen, erklärt Journalist und Türkei-Experte Thomas Seibert im Gespräch bei SRF. Allerdings sei auch dies nur eine Rahmenvereinbarung.
Ankara will Gegenleistungen
«Es geht um einen politischen Tauschhandel», glaubt Seibert. Die Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu brauche eine klare Einigung, die sie auch vor der eigenen Bevölkerung vertreten könne. «Eine Zustimmung zur Nutzung dieser Luftwaffenstützpunkte ohne Gegenleistung wäre hier kaum innenpolitisch zu vertreten.»
Eine solche Gegenleistung wäre die Einrichtung militärischer Pufferzonen auf syrischem Gebiet und eine Flugverbotszone über Syrien. «Von solchen Gegenleistungen war in der Stellungnahme von Frau Rice überhaupt keine Rede. Ankara ist deshalb offenbar sehr verärgert», sagt Seibert.
Für die USA seien die Militärbasen wichtig, weil sie dann mehr Luftschläge gegen die Terrormiliz IS fliegen könnten, erklärt Seibert. Bisher kämen die Kampfjets aus dem Persischen Golf. Wenn von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik aus angegriffen werden könne, dann könnten die Kampfjets viel mehr Angriffe in Syrien fliegen. Die USA wolle deshalb die Türkei unbedingt in der Anti-IS-Allianz dabei haben. «Solange sich die Türkei aus der Allianz gegen den IS heraushält, solange kann diese Allianz nicht funktionieren.»
Ankara will keinen Alleingang
Ein eigenes militärisches Eingreifen hat die Türkei bereits mehrfach ausgeschlossen, obwohl international der Druck auf das Nato-Mitglied wächst. Die Türkei hat auch Forderungen nach einem Hilfskorridor in die vom IS belagerte syrische Grenzstadt Kobane zurückgewiesen.
Die Kurden in Kobane sehen sich nach fast einem Monat heftiger Kämpfe kaum noch in der Lage, den Ansturm der IS-Milizen weiter abwehren zu können. Zwar hätten die Extremisten durch die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten schwere Verluste erlitten, erklärte die Kurdenmiliz YPG am Wochenende. In den vergangenen beiden Tagen seien die Einsätze aber nicht mehr so effektiv gewesen.
Ankara fordert Gesamtstrategie
Die Türkei fordert eine international abgestimmte Strategie, die nicht nur den IS in die Schranken verweist, sondern auch den syrischen Bürgerkrieg löst, indem der dortige Präsident Baschar al-Assad gestürzt wird.
Kritiker werfen der Regierung in Ankara vor, sich auch deshalb zurückzuhalten, weil die YPG eine Schwesterorganisation der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK ist, die jahrzehntelang gegen die Sicherheitskräfte des Landes kämpfte und auch von westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird.
Aufruf zu weltweiten Anschlägen
Die IS-Extremistenmiliz hat derweil laut einem Zeitungsbericht Muslime weltweit dazu aufgerufen, Terroranschläge und Morde an Ungläubigen zu begehen. Wie die Tageszeitung «Die Welt» berichtet, haben die Islamisten in einem jetzt veröffentlichten Internetmagazin mehrere Länder als feindliche Staaten definiert, in denen Attentate verübt werden sollen - darunter auch Deutschland.
«An diesem Zeitpunkt des Kreuzzuges gegen den Islamischen Staat ist es wichtig, dass Angriffe in allen Ländern stattfinden, die der Allianz gegen den Islamischen Staat angehören», zitiert das Blatt aus dem IS-Internetmagazin. «Insbesondere in den USA, in Grossbritannien, in Frankreich, Australien und Deutschland. Mehr noch, die Bürger dieser Kreuzfahrer-Nationen sollen überall angegriffen werden, wo man auf sie stösst.»
Zur Verteidigung des «Islamischen Staates» sollten in Nordamerika, Europa und Australien Morde begangen werden, heisst es weiter. «Jeder Muslim soll aus dem Haus gehen, einen Kreuzzügler finden und ihn töten.»