In Ägypten gerät Präsident Mohammed Mursi durch den Abgang eines weiteren ranghohen Kabinettsmitglieds noch stärker unter Druck. Gemäss der staatlichen Nachrichtenagentur Mena reichte in der Nacht auch Aussenminister Mohamed Kamel Amr seinen Rücktritt ein.
Zuvor waren bereits mehrere Minister zurückgetreten – offenbar aus Protest gegen Mursi. Laut den Meldungen sind die Ministerien für Telekommunikation, Tourismus, Umwelt und Parlamentsangelegenheiten betroffen. Die Minister gehören nicht der Muslimbruderschaft an.
Armee greift in die Diskussion ein
Am Montag hatte sich die Armee in die Staatskrise eingeschaltet und in einer dramatischen Erklärung ultimativ eine Lösung des Machtkampfes binnen 48 Stunden gefordert. Sie bestritt, dass es sich dabei um eine Putschdrohung handle. Der oberste Vertreter der ägyptischen Streitkräfte, General Abdel Fatah al-Sisi wandte sich im staatlichen Fernsehen an das ägyptische Volk.
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Bild 1 von 18. Demonstration der Stärke: Die Armee überfliegt nach Bekanntgabe des Ultimatums den Tahrir-Platz. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 18. Mit wehenden Fahnen und lautstarken Sprechchören haben mehr als 300'000 Ägypter gegen Präsident Mohammed Mursi protestiert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 18. Zur Mittagszeit beteten tausende Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 18. Die Demonstranten wollen Staatschef Mohammed Mursi zum Rücktritt zwingen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 18. Viele Ägypter sind wegen der Massenproteste gegen die Muslimbruderschaft nach Kairo gereist. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 18. Die Mursi-Gegner zogen in Kairo bis vor den Präsidentenpalast. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 18. Der Verteidigungsminister hat gewarnt: Wenn der Machtkampf ausser Kontrolle gerät, wird das Militär eingreifen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 18. Auch in der Stadt Alexandria gab es Demonstrationen gegen Mursi. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 18. Auch Anhänger Mursis und der Muslimbruderschaft gingen auf die Strasse. Für sie kommt ein Rückzug des Präsidenten nicht infrage. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 18. Mursi-Anhänger bereiten sich vor, den Präsidentenpalast zu schützen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 18. Auf dem Tahrir-Platz warteten zahlreiche Ägypter auf die Veranstaltungen in Kairo. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 18. «Fort mit dir», fordern die Aktivisten auf dem Tahrir-Platz Präsident Mursi auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 18. Auch in der Nacht auf Montag demonstrierten Hunderttausende Mursi-Gegner auf dem Tahrir-Platz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 18. Mit wehenden Fahnen, Sprechchören und Feuerwerk machten die Protestierenden ihrem Unmut Luft. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 18. Die Wut richtete sich auch gegen die Muslimbruderschaft. Das Hauptquartier im Kairoer Viertel Muqattam wurde angegriffen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 18. Die Parteizentrale der Muslimbrüder wurde von den Protestierenden in Brand gesteckt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 18. Das Schild stammt vom Hauptquartier der Muslimbruderschaft. Das Gebäude wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 18. Ein Gegner Mursis mit einem Plakat mit der Aufschrift: «Der entlaufene Sträfling, Mohammed Mursi. Gib auf, der ganze Palast ist umstellt.». Bildquelle: Keystone.
Wenn die Konfliktparteien innert der gesetzten Frist keine Einigung erzielen, werde die Armee einen Ausweg vorschlagen, so al-Sisi. Weiter nannte er die Proteste eine beispiellose Willensbekundung des Volkes. Je mehr Zeit die Politiker verschwendeten, umso gespaltener werde das Land. Al-Sisi versicherte aber, das Militär habe nicht die Absicht, sich in die Politik oder die Regierungstätigkeit einzumischen.
Um die Botschaft zu unterstreichen, flogen kurz nach der Ansprache fünf Militär-Helikopter – unter anderem mit ägyptischen Flaggen – über die Menschenmassen am Tahrir-Platz. Dort löste dies Jubel aus. Präsident Mursi traf nach der Ankündigung laut lokalen Medienberichten mit al-Sisi und Premierminister Hescham Kandil zusammen. Einzelheiten sind nicht bekannt.
Nach Angaben der Zeitung «Al Ahram» vom frühen Morgen teilte das Präsidialamt mit, Mursi sei im Vorfeld des Ultimatums des Militärs nicht konsultiert worden. Die Armee riskiere mit Teilen ihrer Erklärung, weiter zur Verwirrung in der gegenwärtigen Lage beizutragen. Der Präsident werde seinen Plan zur nationalen Aussöhnung weiterverfolgen. Er sei nach wie vor zum Dialog bereit.
Armee pro Opposition
Die Armee schlage sich damit auf die Seite der Opposition, sagt Philipp Scholkmann, SRF-Korrespondent in Ägypten. «Die Armee hat gesehen, wo die Dynamik liegt.» Diese 20 Millionen Unterschriften, die die Oppositionsbewegung Tamarod gesammelt haben wolle und die verbreitete Wut, dass Mursi das Land weder wirtschaftlich noch politisch vorwärts gebracht habe, sei für die Armee Argument genug.
Mursi habe nicht viele Möglichkeiten zu reagieren, sagt Scholkmann. «Die Machtmittel liegen letztendlich nicht bei ihm, sondern bei der Armee.» Mursi habe zwar bewusst versucht, sich am Anfang seiner Amtszeit mit einer neuen Generation von Generälen gut zu stellen. «Aber er kommt nicht gegen diese letzte Instanz in Ägypten an», so Scholkmann. Mursi werde einen gewaltigen Schritt auf die Opposition zugehen müssen, oder er sei weg.
Am Wochenende hatte Ägypten die grössten Proteste seit dem Sturz von Machthaber Hosni Mubarak erlebt. Der Unmut der Menschen richtet sich gegen Mursi, der vor einem Jahr sein Amt angetreten hat. Hunderttausende Menschen kamen auf dem Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast zusammen. Stellenweise eskalierte die Gewalt.