Der Beitritt der Palästinensergebiete zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ist vollzogen. In Den Haag wurde eine Aufnahmezeremonie im Gerichtsgebäude veranstaltet. Die Öffentlichkeit war davon ausgeschlossen.
Der palästinensische Aussenminister Riad al-Malki erhielt symbolisch eine Abschrift des Römischen Statuts, des Gründungsdokuments des IStGH.
Die Palästinensergebiete – die Ende 2012 als UNO-Beobachterstaat anerkannt wurden – traten dem Römischen Statut bereits Anfang Januar bei. Das Statut ahndet Delikte des Völkerstrafrechts – sofern die nationale Gerichtsbarkeit nicht fähig oder willens ist, die Strafverfolgung selbst zu garantieren.
Der Strafgerichtshof richtet grundsätzlich nur über Individuen, nicht über Staaten.
Al-Malki dämpft Erwartungen in Palästinensergebieten
Die Palästinenser wollen jetzt – nach jahrzehntelangen erfolglosen Friedensgesprächen – Verfahren gegen Verantwortliche in Israel in Gang setzen. Dabei geht es derzeit vor allem um den Gaza-Krieg im vergangenen Sommer. Die Voraussetzung dafür ist, dass die israelische Justiz den möglichen Verbrechen nicht selbst ausreichend nachgeht.
Aussenminister al-Maliki dämpfte allerdings vor dem feierlichen Beitritt im palästinensischen Radio die Erwartungen in den eigenen Reihen. Die Verfahren vor dem internationalen Strafgericht seien langsam und kompliziert – es könne Jahre gehen, bis Ergebnisse vorlägen.
«Abschied von einer Fiktion»
In Ramallah wird trotzdem von einem Wendepunkt gesprochen. Anwältin Diana Buttu sagte im Gespräch mit SRF-Nahostkorrespondent Philipp Scholkmann, der Beitritt zum Strafgerichtshof markiere einen längst überfälligen Abschied von einer Fiktion.
Mehr als zwanzig Jahre lang habe die palästinensische Führung auf Verhandlungen mit Israel gesetzt, um einen palästinensischen Staat zu erreichen, sagte Buttu. Das einzige Ergebnis sei gewesen, dass immer mehr israelische Siedlungen gebaut wurden.
Als Mitglied des Strafgerichtshofs erhoffen sich die Palästinenser internationales Gehör für ihre Anliegen.
Wut in Israel
Der Beitritt der Palästinenser zum Strafgerichtshof erlaubt aber nicht nur ihnen, Anklage zu erheben. Auch sie selber könnten ins Visier der Justiz geraten. So könnten sich Ermittlungen gegen extremistische Palästinenser richten, die israelische Zivilisten mit Raketen beschiessen.
Die Aussicht, dass eines Tages israelische Befehlshaber oder Mitglieder des Sicherheitskabinetts Vorladungen nach Den Haag erhalten könnten, sorgt in Israel für wütende Reaktionen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschuldigte die palästinensische Einheitsregierung, sie «manipuliere» den Strafgerichtshof, während sie sich zugleich «auf die terroristische Hamas stützt».