Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) ermittelt im Fall angeblich zweifelhafter Geschäfte des früheren Uefa-Generalsekretärs und heutigen Fifa-Chefs Gianni Infantino wegen des «Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und eventuell der Veruntreuung».
Das Strafverfahren richte sich derzeit allerdings nicht gegen eine konkrete Person, hiess es in einer Stellungnahme. Es stehe «im Zusammenhang mit dem Erwerb von TV-Übertragungsrechten und richtet sich gegen unbekannte Täterschaft», teilte die Behörde mit.
Gianni Infantino hat sich unterdessen zu Wort gemeldet. Die Vereinbarung über TV-Rechte sei damals «ordnungsgemäss» durch die Uefa-Leitung durchgeführt worden. Die laufenden Untersuchungen begrüsse er. Denn im Sinne der Transparenz und Klarheit sei es wichtig, «dass alle Aspekte dieses Dossiers offengelegt werden – wie es damals die Uefa schon getan hat.»
Enthüllungen in Medien ergänzen Erkenntnisse
Auf Anfrage von SRF gab die BA an, dass sich ein vergangenes Verfahren und die Enthüllungen im Zusammenhang mit den «Panama-Papers» ergänzt hätten.
«Die Verdachtslage geht auf Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren sowie auf entsprechende Finanzanalysen der BA zurück. Infolge aktueller Veröffentlichungen in den Medien ergaben sich zusätzliche Hinweise, welche die vorbestehenden Erkenntnisse entscheidend zu ergänzen vermochten.»
Im Fokus: die Briefkastenfirma Cross Trading
Bevor die Ermittlung durch die BA publik gemacht wurde, hatten die Schweizer Behörden die Zentrale der Europäischen Fussball-Union in Nyon durchsucht; «um Beweise sicherzustellen», wie es im Communiqué der BA heisst.
Konkret forderten die Beamten Einsicht in die Verträge zwischen der Uefa und der Briefkastenfirma Cross Trading.
Die Uefa zeigte sich kooperativ: «Natürlich stellt die Uefa der Bundespolizei alle relevanten Dokumente in ihrem Besitz zur Verfügung und wird vollumfänglich kooperieren», hiess es in einer Pressemitteilung.
Verheerend für die FIfa
Für SRF-Fifa-Experte Jean François Tanda sind die Enthüllungen um Fifa-Präsident Gianni Infantino und seine früheren Geschäfte bei der Uefa keine grosse Überraschung. Es sei lange gang und gäbe gewesen, bei Geschäften Freunde zu begünstigen, sagte er zu SRF News.
Aber: «Für die Fifa ist es natürlich verheerend, dass ihr Hoffnungsträger im Visier der Justiz zu stehen scheint, nachdem er erst knapp einen Monat im Amt ist.» Dass die neusten Enthüllungen Infantino zum Rücktritt bewegen könnten, daran glaubt der Experte aber nicht. Solche Fälle habe die Fifa schon in Vergangenheit immer ausgesessen. «Eventuell könnte es unangenehm werden, wenn die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft Ergebnisse zeigen.»
Eigentümer der Firma sind zwei Angeklagte im Fifa-Skandal
Die «Süddeutsche Zeitung» hatte zuvor unter Berufung auf die «Panama Papers» berichtet, dass Infantino 2006 in seiner Funktion als Direktor der Uefa-Rechtsabteilung Verträge mit dem Unternehmen Cross Trading unterzeichnet haben soll, deren Eigentümer zwei der heutigen Angeklagten im Fifa-Skandal waren. Dabei ging es um Fernsehrechte.
Die südamerikanischen TV-Rechtehändler Hugo und Mariano Jinkis sollen mit den Verträgen damals TV-Rechte für die Champions League erworben und diese mit hohem Gewinn in Lateinamerika weiterverkauft haben.
Sowohl Infantino als auch die Uefa wiesen die Medienmitteilungen mit deutlichen Worten zurück: «Es gibt keinerlei Anzeichen für irgendein Fehlverhalten der Uefa oder mir in dieser Angelegenheit», so Infantino in einem Fifa-Pressecommuniqué.