Die Separatisten in der Ostukraine und Vertreter der Regierung in Kiew haben am Freitagabend mit dem bisher umfangreichsten Gefangenenaustausch im achtmonatigen Konflikt begonnen. Der Austausch dauert weiter an.
Russland kein Verhandlungspartner
Für den Moskauer Politologen Piotr A. Fedosov kann man dieses Ereignis als «bescheidenen, aber positiven Schritt» werten. Der Austausch sei ein ganz reales Ergebnis. Weitere Schritte könnten folgen, wenn man die Verhandlungen beharrlich fortsetze, sagt Fedosov im Interview mit Radio SRF.
Doch zwischen der Ukraine und den von pro-russischen Separatisten besetzten Gebieten in Donezk und Lugansk herrscht eine Patt-Situation. Denn laut Fedosov ist die russische Regierung nicht daran interessiert, die umkämpften Gebiete einzuverleiben. Moskau wolle auch keine Verantwortung übernehmen für das Finanzsystem in den Gebieten.
Die Lösung wäre gemäss dem Politologen, dass Kiew die Separatisten-Regierungen in Donezk und Lugansk als Verhandlungspartner anerkenne. Russland würde allenfalls Hilfe leisten als Aufsichtsgremium oder für die Vermittlung, aber nicht als Verhandlungspartner.
Einzige Gewinnerin: die USA
Dass die Ukraine die Blockfreiheit aufgehoben und damit den Weg für einen Nato-Beitritt freigemacht hat, werde in Russland mit Skepsis betrachtet, sagt Fedosov. Dies sei eine wesentliche Neuerung.
Russland hatte nach Bekanntwerden dieser Nachricht die Verteidigungsdoktrin überarbeitet. Eine ausführliche Analyse dieser Doktrin sei bisher nicht möglich gewesen, betont Fedosov. Eine erste Lektüre der Doktrin habe aber gezeigt, dass die Formulierungen von 2010 teilweise erhärtet worden seien.
Kein Erstschlag geplant
Gefahren, die in der Doktrin von 2010 aufgezählt worden, seien, würden heute als akuter eingestuft. Doch Russland werde bei seiner Verteidigungsstrategie bleiben – ein Erstschlag sei nicht geplant.
Dennoch habe man in Russland das Gefühl, bedroht zu werden. Die wirtschaftliche Situation der Ukraine sei kompliziert – ohne eine Finanzspritze von 10 bis 15 Milliarden Dollar drohe ein Staatsbankrott. Verlieren würden dann nach Ansicht des Experten Russland und die EU als grösste Handelspartner.
Die Situation in der Ukraine entspreche aber den Interessen der USA, glaubt der Politologe. Europa sehe sich gezwungen, mehr Wert zu legen auf die Vorherrschaft der USA und die Rolle der Supermacht in der Nato.