Kremlchef Wladimir Putin hat Verhandlungen zur Lösung der Staatskrise in der Ukraine gefordert. Weder Flugzeuge noch Panzer könnten die Krise dort beenden, sagte Putin. In der landesweiten Fernsehsendung «Direkter Draht» verurteilte er die Gewalt der nicht gewählten neuen ukrainischen Führung gegen die eigene Bevölkerung: «Das ist ein schweres Verbrechen der heutigen Machthaber in Kiew.»
«Russische Bürger beschützen»
Zugleich erinnerte der russische Präsident daran, dass er vom Föderationsrat in Moskau die Erlaubnis für einen Militäreinsatz in der Ukraine habe, um russische Bürger zu schützen. «Ich hoffe sehr, dass ich von diesem Recht keinen Gebrauch machen muss und dass die politisch-diplomatischen Mittel ausreichen, um die schärfsten Probleme zu lösen», sagte Putin.
Aufrufe an die prorussischen Uniformierten, die Besetzungen von Gebäuden zu beenden und die Waffen niederzulegen, nannte er «gut und richtig». Allerdings müssten auch die Einheiten der «nicht legitimen Regierung in Kiew» die Waffen niederlegen.
Putin zur «Anti-Terror-Operation»
Angesichts der «Anti-Terror-Operation» der ukrainischen Regierung gegen prorussische Aktivisten wählte Putin deutliche Worte: «Sind die dort jetzt völlig bescheuert geworden?». Der Kremlchef betonte, dass Russland die neuen Machthaber in Kiew nach dem «verfassungswidrigen Sturz» von Präsident Viktor Janukowitsch nicht anerkenne.
Weil die Regierung kein «gesamtnationales Mandat» habe, gebe es auch kein Recht zur Anwendung von Gewalt gegen das Volk. Nötig seien für die Ukraine eine neue Verfassung sowie Wahlen. Allerdings warnte Putin, dass Russland die für den 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl nicht anerkennen werde, wenn sich die Lage nicht bessere.
Insbesondere kritisierte er Übergriffe auf prorussische Präsidentenkandidaten sowie Behinderungen im laufenden Wahlkampf. «Das sind absolut unannehmbare Formen», sagte er. Der Präsident forderte einen «echten Dialog» mit der russischsprachigen Bevölkerung im Osten und Süden der Ukraine, die eigene Interessen habe. In der Ostukraine würden nun Politiker gebraucht, zu denen die Menschen dort Vertrauen hätten. Dabei lobte Putin den Beginn der ersten internationalen Krisengespräche in Genf mit Vertretern der Ukraine, Russlands, der EU und der USA.
«Es gibt im Osten der Ukraine keine Einheiten»
Scharf wies Putin erneut Vorwürfe zurück, dass russisches Militär die Lage im Nachbarland bewusst destabilisiere. «Es gibt im Osten der Ukraine überhaupt keine russischen Einheiten. Es gibt keine Geheimdienste und keine Instrukteure. Der beste Beweis dafür ist, dass die Leute sich – im wahrsten Sinne des Wortes – die Masken vom Gesicht gerissen haben», sagte er. «Es sind die Herren jener Region.» Mit ihnen müsse geredet werden.
Der Kremlchef forderte die nahezu bankrotte Ukraine ultimativ zur Zahlung ihrer Gasschulden in Milliardenhöhe auf. Das Nachbarland habe noch einen Monat Zeit – danach verlange Russland Vorkasse, sagte Putin. Zugleich warnte er, dies könne die Gaslieferungen nach Europa beeinträchtigen. Russland wirft der Ukraine vor, Gas aus Transitleitungen abzuzapfen. Kiew weist das zurück.
Putin zur Krim
Einen Monat nach der umstrittenen Aufnahme der Schwarzmeerhalbinsel Krim in die Russische Föderation versprach Putin bei einer TV-Schalte in die Hafenstadt Sewastopol umfassende Investitionen in der Region. Infrastruktur, Tourismus, Industrie und Landwirtschaft sowie Werften und die Schwarzmeerflotte würden intensiv entwickelt.
Den Anschluss der Halbinsel an Russland verteidigte Putin erneut als Sonderfall und verwies auf geopolitische Interessen. Die dort im März aktiven Selbstverteidigungskräfte hätten mit Rückhalt des russischen Militärs gehandelt.
Die Krim ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte. Demnach habe die Gefahr bestanden, dass die Nato und der Westen Russlands Militär aus der strategisch wichtigen Region vertrieben. Die Ukraine und der Westen werfen Russland Völkerrechtsbruch und eine Annexion der Krim vor.
Nicht erste TV-Fragestunde
Per Telefon, Internet und SMS haben Zuschauer und Zuhörer rund 2,5 Millionen Fragen zum «direkten Draht» mit Präsident Putin eingereicht. Übertragen wurde die stundenlange Livesendung auf mehreren staatlichen Fernseh- und Radiokanälen – und dies nicht zum ersten Mal: Bereits zwölf solcher Sendungen hat Putin bestritten. Aber auch sonst weiss sich der russische Präsident gut in Szene zu setzen.
Wladimir Putin – der krude Inszenierer
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Bild 1 von 15. Wir wissen es: Nichts ist für einen Politiker gewinnbringender als ein Bild mit kleinen, glücklichen Kindern in einem Spital. Ein Jackpot für Wladimir Putin, aufgenommen im Januar 2000 im Kinderspital von Petrozavodsk. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 15. Fast ebenso gut funktioniert alles, was ein Fell und grosse braune Augen hat. Ein Staatenlenker, der im Nationalpark «Losiny Ostrov» einem hilflosen Elch-Baby Milch einflösst, so einen wünscht man sich aufs Sofa. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 15. Wenn sich dann noch eine Grande-Dame wie Angela Merkel dazu setzt, zeugt so ein Image-Bild mit Putins seligem Vierbeiner «Cony» nicht nur von unerschütterlicher Tierliebe, sondern auch von weltmännischer Gewandtheit. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 15. Nebst der Kuschelversion mit Tieren schätzen die PR-Manager dieser Welt auch die Kraft der Bilder, auf denen sich ihre Schützlinge, wie Putin hier in der Nähe Moskaus 2013 vorführt, mit richtig grossen, «wilden Tieren» im Schnee wälzen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 15. ...noch besser natürlich wilde Tiere mit spitzigen Zähnen... Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 15. ...Rentiere gehen auch... Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 15. ...Delfine, auch die haben ihn gern (speziell jene im Primorsky Aquarium). Und auch in einer letzten tierischen Kategorie der Image-Fotografie kann der russische Präsident Wladimir Putin mit beeindruckender Originalität punkten... Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 15. ...in der Kategorie «Ich bin auch der Freund von Exoten». Kleines Detail: Auch das Sujet des «Hand-Shakings» findet bei PR-Strategen rege Verwendung. Es vermittelt dem Betrachter den Eindruck souveräner Aufgeschlossenheit. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 15. Aber klar, so ein richtiger Führer eines Riesenreiches kann nicht immer Tiere kraulen. Manchmal sind für ein rundum gelungenes Image auch seine draufgängerischen Qualitäten gefragt, wie hier bei einer Schnellbootfahrt auf der Wolga im Sommer 2003. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 15. Röhrende Schnellboote beeindrucken dabei wohl eher die Motor-affinen männlichen PR-Konsumenten, während weibliche weiche Knie bekommen dürften, wenn Putin im tollkühnen Deltaflieger über die Taiga segelt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 15. Und hier noch – quasi der Vollständigkeit halber – die Kür der Politikerbilder mit Image-Potenzial: Der Landesvater mit entschlossener Miene, am Steuer einer 100-Millionen-Dollar-Kampfmaschine. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 15. Und nun, vor dem finalen Höhepunkt, das Lieblingsbild der Redaktion: Putins Image-Strategen beweisen, welche Kompetenzen dem Präsidenten eigen sind, wenn es darum geht, sich gefitzt in den angestammten Stereotypen des Erzfeindes auszutoben. Gipfeln aber tut die russische Image-Fotografie ganz besonders würzig in... Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 15. ...der Darstellung von Putins nacktem Oberkörper. Mal schwimmend wie einer seiner Kampf-Delfine... Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 15. ...oder nackig am Fischen im sibirischen Tyva... Bildquelle: Reuters.
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Bild 15 von 15. ...oder dann, in kluger Kombination verschiedener Stile, nackig neben etwas mit braunem Fell und grossen braunen Augen. Wladimir Putin, der Meister der leutseligen Selbstdarstellung. Bildquelle: Keystone.