Eher sparsam fiel der Applaus der Kardinäle und Bischöfe aus, viele lächelten gequält. Denn das, was der Papst in seiner Weihnachtsansprache äusserte, hatte es in sich: Anstatt nur gute Wünsche zum Fest zu übermitteln, nutzte Franziskus die traditionelle Rede für eine grundlegende Kritik an der Bürokratie des Vatikans.
15 Krankheiten der Kurie listete der 78-Jährige auf, prangerte ein «spirituelles Alzheimer», eine «mentale Erstarrung», den «Terrorismus des Geschwätzes» und die «Krankheit der Rivalität und Eitelkeit» an.
Frontaler Angriff auf die Kurie
Zwar hat Franziskus noch nie mit Kritik an der Kurie gespart, und auch die dringend notwendige Reform der Verwaltung des Vatikans, der Römischen Kurie, steht ganz oben auf seiner Agenda. Doch so deutliche Worte hat Franziskus bisher selten gefunden.
«Der Papst hat oft mahnende Reden gehalten, aber das ist ein frontaler Angriff gegen die starre Position der Kurie», meinte Marco Politi, Papst-Biograf und Kommentator für die Tageszeitung «Il Fatto Quotidiano». «Diese scharfe Rede ist ein Zeichen des Konflikts zwischen der Kurie und Franziskus.»
Die Liste der «Krankheiten der Kurie», wie das Oberhaupt der katholischen Kirche die Probleme in der Bürokratie des Kirchenstaates nennt, ist lang: Sich unsterblich fühlen, Rivalität und Eitelkeit, Schizophrenie, Gerüchte, Gemunkel und Tratsch, Vergötterung der Chefs, Gleichgültigkeit gegenüber anderen, geschlossene Zirkel und Prahlerei. «Die Kurie ist wie jeder menschliche Körper Krankheiten, Missständen und Gebrechen ausgesetzt», urteilte der Argentinier
«Eine Kurie, die sich nicht selbst kritisiert, die sich nicht weiterentwickelt, die nicht versucht, sich zu verbessern, ist ein kranker Körper», kritisierte Franziskus. Er warnt diejenigen vor dem Verlust des Mitgefühls, «die die innere Gelassenheit verlieren, die Lebendigkeit und den Mut, die sich hinter Papier verstecken». Als weiteres Gebrechen sieht Franziskus das «spirituelle Alzheimer» – «das Vergessen der persönlichen Geschichte mit dem Herrn».
‹Terror des Geschwätzes›: Das ist die Krankheit von Feiglingen, die nicht den Mut haben, direkt zu sprechen, sondern nur hinter dem Rücken von Leuten.
Ein grosses Übel sind für Franziskus «Rivalität und Eitelkeit», «wenn das Auftreten, die Farbe der Kleidung und die Insignien der Orden das erste Ziel im Leben werden». Auch den «Terror des Geschwätzes» verurteilte der Papst und wünscht sich dabei das aufrichtige Gespräch.
iden an «existenzieller Schizophrenie»: «Es ist die Krankheit jener, die ein Doppelleben führen. Ein Resultat der Scheinheiligkeit, die typisch ist für mittelmäßige und fortgeschrittene spirituelle Leere, die auch akademische Titel nicht füllen können. Es ist eine Krankheit, an der oft die leiden, die den Priesterdienst aufgegeben haben und sich auf bürokratische Aufgaben beschränken und dadurch den Kontakt mit der Realität und echten Menschen verlieren».
Franziskus will etwas ändern, frischen Wind in die Kirche bringen, aufräumen – das hat er schon mehrmals deutlich gemacht. Dass das nicht allen gefällt und dass er dabei auf Widerstände stösst, ist auch dem Papst bewusst. Vor kurzem erklärte der Argentinier in einem Interview, die Kurien-Reform werde sich noch über das kommende Jahr hinaus hinziehen. «Es gibt noch viel zu tun», erklärte er.
Weihnachtsansprache als letzte Warnung
Doch das hält den Papst nicht davon ab, Probleme offen anzusprechen. Die Krankheiten der Kurie zu benennen und sich dessen bewusst zu sein, sei bereits der erste Schritt zur Besserung, erklärte Franziskus.
Für den Vatikankenner Politi ist der Papst bei seinen Reformideen an einem entscheidenden Punkt angekommen. «Bis jetzt hat der Papst eine milde Linie verfolgt, die mehr auf Überzeugung setzte.» Nun müsse er jedoch entscheiden, ob er so weitermachen oder Schlüsselpositionen neu besetzen will. «Es ist ganz bestimmt eine letzte Warnung», erklärt er.