Die ukrainische Führung hat alle politischen Kräfte des krisengeschüttelten Landes zu einem nationalen Dialog aufgerufen. Zugleich machten Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Regierungschef Arseni Jazenjuk in einer gemeinsamen Erklärung aber deutlich, dass sie nicht mit bewaffneten prorussischen Gegnern der prowestlichen Führung verhandeln wollten.
Ganz zum Missfallen des russischen Aussenministers Sergej Lawrow. Dieser rief die USA dazu auf, die Übergangsregierung in Kiew zu Gesprächen mit den Separatisten im Osten des Landes zu bewegen. Die USA müssten ihren Einfluss auf die Regierung in Kiew zu nutzen, damit sich diese für eine «wahre Deeskalation» im Land einsetze und die Voraussetzungen für direkte Gespräche auf Augenhöhe mit Vertretern der südöstlichen Regionen schaffe.
OSZE will Friedensplan umsetzen
Eine andere Vorstellung von Dialog hat Kiew. Ziel sei ein nationaler Konsens über Schlüsselfragen der ukrainischen Gesellschaft, hiess es. Dazu zählten eine Dezentralisierung der Macht, eine Reform des Sicherheits- und Justizapparats sowie der Schutz der Minderheiten.
Zugleich forderte die Führung erneut, illegale Gruppen müssten die Waffen niederlegen, ihre Geiseln freigeben und besetzte Gebäude räumen. Wer sich daran halte, habe keine strafrechtlichen Konsequenzen zu fürchten. Die Regierung will zudem, dass der gesamte Prozess von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwacht wird.
Die OSZE ihrerseits ist bereit ihre diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Lösung zu verstärken. Vermittler der OSZE reisten heute nach Kiew, um mit der pro-westlichen Übergangsregierung einen Friedensplan zu besprechen. Die sogenannte «Road Map» sieht nach Reuters-Informationen eine Reihe konkreter Schritte vor, um eine weitere Eskalation der Gewalt im Osten des Landes zu verhindern.
Alle sollen sich am Dialog beteiligen
So fordert die OSZE von der Übergangsregierung in Kiew als vertrauensbildende Massnahme «die sofortige Verkündung» einer Amnestie für jene pro-russischen Aktivisten, die sich ebenfalls an den Friedensplan halten und besetzte Regierungsgebäude im Osten der Ukraine verlassen.
Der Schweizer Aussenminister und amtierende OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter besprach den Friedensplan bereits am Mittwoch in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Kurz darauf sei Burkhalter in Brüssel mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zusammengekommen, um über die weitere Umsetzung der in Genf vereinbarten Erklärung für eine friedliche Lösung in der Ukraine zu beraten. Auch dabei sei der Friedensplan Thema gewesen. Burkhalter appellierte an die Konfliktparteien, sie sollten sich am Dialog beteiligen.
Hotline für Opfer von Verbrechen
Auch der Entwurf der OSZE ruft alle Beteiligten auf, von «Gewalt, Einschüchterung und Provokationen» abzusehen. Demnach sieht die OSZE die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl als Schlüssel für eine Stabilisierung der Ukraine an. Der Friedensplan bekräftigt zudem die Forderung nach einer Räumung besetzter Regierungsgebäude im Osten des Landes.
Zugleich wird den Sicherheitskräften das Recht zugebilligt, «in einer angemessenen Art und Weise» gegen Separatisten vorzugehen, um weitere Gewalt zu verhindern, wie aus dem Dokument weiter hervorgeht. Gewaltsame Vorfälle müssten rasch untersucht und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden. Dazu stellt die OSZE ein Expertenteam bereit, das ab dem 15. Mai einsatzfähig sein soll. Zudem soll eine Hotline eingerichtet werden, unter der gewaltsame Übergriffe und andere Verbrechen rasch gemeldet werden können.
Ost-Länder wollen mehr Nato-Präsenz
Die Nato verstärkt indessen ihre Präsenz an der Grenze zur Ukraine. Der polnische Regierungschef Donald Tusk und sein estnischer Kollege Taavi Rõivas drängten in einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf eine dauerhafte Nato-Präsenz in ihren Ländern.
Trotz der Verlegung von Schiffen und Flugzeugen sei die Arbeit der Nato in der Region «noch lange nicht abgeschlossen», sagte Rõivas. Tusk betonte, Polen sei bereit, einen finanziellen Beitrag dafür zu leisten.
Rasmussen verteidigte die stärkere Nato-Präsenz an der Ostgrenze des Bündnisses und wies die russische Kritik daran als «absurd» zurück. Die Antwort der Nato auf Russlands Vorgehen diene der Sicherheit seiner Verbündeten. Sie sei zudem Teil der breiten internationalen Bemühungen, um die Krise zu deeskalieren und eine politische Lösung zu finden, betonte der Nato-Chef.