SRF News: Der Nominierungsparteitag rückt näher. Hat sich Donald Trump deswegen nun plötzlich gemässigt?
Michael D'Antonio: Ja, er hat sich gemässigt. Und alle, die es bemerkt haben, haben das getan, was Trump wollte: ihn gelobt. Ich bin überzeugt, er hat vorab geplant, sich direkt nach dem Sieg in New York präsidial zu präsentieren. Es ist fast so als wollte Trump, dass wir seine Eltern spielen. Er ist der ungezogene Junge, der sich bessert und nun Lob dafür kriegt. Das ist wie ein grosses Psychodrama. Und Trump hat die Kontrolle darüber.
Aber welcher von beiden ist denn nun der wahre Donald Trump: Der beleidigende Pöbler oder der neue, fast präsidiale Trump?
Es ist der Pöbler. Trump fühlt sich nicht wohl in der Rolle des ruhigen, rationalen Leaders. Er entscheidet aus dem Bauch heraus. Der wahre Trump ist näher am wütenden, bedrohlichen Trump, den wir vor seinem Sieg in New York erlebt haben.
Der wahre Trump ist näher am wütenden, bedrohlichen Trump, den wir vor seinem Sieg in New York erlebt haben.
Das heisst aber: Wenn es sein muss, kann sich Trump mässigen. Er kann sich anpassen.
Ja, so ist er. Man muss bedenken: Seine erste Liebe waren der Film und das Theater. Als er jung war, spielte er mit dem Gedanken, in eine Filmschule zu gehen, seine ersten Geschäfte machte er mit einem Broadway-Theaterstück. Er ist fasziniert davon, in Rollen zu schlüpfen. So sehr, dass es schwer zu sagen ist, ob es hinter den vielen Rollen wirklich eine wahre Person Donald Trump gibt. Deshalb ist es auch so schwierig zu sagen, was für ein Präsident er wäre. Ich glaube sogar, er ist innerlich derart zerrissen, dass er es nicht mehr wagt, den wahren Trump zu zeigen.
Trump hat bei verschiedenen Fragen seine Haltung geändert. So zum Beispiel bei der Abtreibung. Er gibt sich einmal pöbelnd, einmal präsidial. Hat Trump so etwas wie fixe Werte?
Ja, er hat schon Werte. Sie drehen sich meist darum, was für ihn selbst gut ist. Er sucht sich für sich selbst immer die grösste Trophäe aus. Früher war das Geld. Heute misst er seinen Erfolg mit Wählerstimmen. Ich glaube, seine Kampagne hat kaum mit politischen Zielen und Werten zu tun. Er will vor allem eins: gewinnen. Er hat nach seinem Sieg zum Beispiel nicht mehr von seiner Mauer an der mexikanischen Grenze gesprochen, weil sie ihn eigentlich gar nicht kümmert. Sie war ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu kriegen. Als Präsident würde er sie nicht bauen und auch nicht elf Millionen illegale Migranten deportieren.
Als Präsident würde er die Mauer an Mexikos Grenze nicht bauen. Die Aussage war ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu kriegen.
Trump hat sich bislang als Gewinner und als Antipolitiker, der keine Kompromisse eingeht, präsentiert. Geht er wirklich nie Kompromisse ein?
Es kommt darauf an, was auf dem Spiel steht. Als Trump in den 1990er Jahren geschäftlich gescheitert ist, übernahmen die Banken seine Finanzen. Da musste er Kompromisse eingehen. Er hat seine Jacht aufgegeben und musste ein monatliches Budget einhalten. Es war die einzige Möglichkeit, um später wieder Erfolg zu haben. Es gibt viele Wege zum Erfolg. Einer heisst Kompromiss. Ich glaube, diese Lektion hat Trump gelernt.
Trumps ganze Kampagne wirkt spontan. Man hat das Gefühl, Trump entscheidet ständig aus dem Bauch heraus, seine Reden wirken teils improvisiert. Stimmt der Eindruck?
Sie sind nicht teilweise improvisiert, sondern ganz. Trump hat ein Thema und ein paar Worte mit grosser Wirkung im Kopf. Als er beispielsweise seine Kandidatur ankündigte, nannte er die Schlagwörter «Mord», «Vergewaltigung» und «illegale Immigranten» kurz nacheinander. Das hat Emotionen geweckt, auch wenn die Sätze eigentlich keinen Sinn machten. Er hat nie ein Skript, aber er achtet in Reden immer auf Wirkung. Er will immer gewisse moralische Grenzen überschreiten, weiter gehen als alle anderen.
Die politische Figur Donald Trump werden wir nicht mehr los. Auch wenn die republikanische Partei ihn nicht als Kandidaten will.
Gehen wir davon aus, dass Trump im Juli am republikanischen Nominierungsparteitag nicht zum Kandidaten ernannt wird. Wie reagiert Trump, wenn er etwas nicht kriegt, von dem er glaubt, es stehe ihm zu?
Er hat schon Andeutungen gemacht. Er hat viele Anhänger um sich, die für ihn agieren und zum Beispiel lautstark protestieren. Wenn man ihm die Nominierung verwehrt, könnte es zu Tumulten während des Parteitages kommen. Denkbar sind auch Trump-Anhänger, die in die Hotelzimmer der Delegierten gehen, um sie unter Druck zu setzen. Es könnte wirklich hässlich werden. Wenn Trump wirklich die Nominierung verwehrt bleibt, wird er sich bis ans Lebensende darüber beschweren. Es könnte sogar eine neue politische Bewegung geben, die sich von den Republikanern abspaltet – vielleicht sogar mit Donald Trump als Anführer.
Das bedeutet: Egal was passiert, die politische Figur Donald Trump wird bleiben.
Ja, soviel ist sicher. Die politische Figur Donald Trump werden wir nicht mehr los. Auch wenn die republikanische Partei ihn nicht als Kandidaten will.
Das Gespräch führte Andrea Christen.