Von luxuriösen Stadien und ausgebeuteten Arbeitern
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Bild 1 von 8. So, wie in dieser Computer-Animation soll das Al-Wakra-Stadion in Katar dereinst aussehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 8. Für die WM werden 12 Stadien benötigt, von denen 9 derzeit neu gebaut werden. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 8. Gebaut werden die Stadien von ausländischen Arbeitern, viele von ihnen stammen aus Nepal und Bangladesh. Sie verdienen für ihre Schufterei in der Wüstenhitze umgerechnet 800 Fr. pro Monat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 8. Die Arbeiter bauen nicht nur Stadien, in ganz Katar hat sich der Bauboom im Hinblick auf die WM 2022 nochmals verstärkt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 8. Die Bauarbeiter wohnen meist in Unterkünften ausserhalb der Städte und werden jeden Tag in Bussen zu den Baustellen gefahren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 8. Ihre Unterkünfte sind äusserst eng, meist leben mehrere Personen in einem einzigen, kleinen Raum. Privatsphäre gibt es keine. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 8. Geschieht auf einer Baustelle ein Unfall, steht der Betroffene vor dem Nichts. Dieser Nepalese blieb nach einem Unfall invalid und damit ohne Lohn. Er musste zweieinhalb Jahre vor Gericht um eine Entschädigung kämpfen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Und dies alles, damit sich Katar 2022 der Fussball-Welt in bestem Licht präsentieren kann. Bildquelle: Keystone.
SRF News: Sie haben das Gastgeberland der WM 2022 selbst bereist – können Sie die Berichte über die prekären Arbeitsbedingungen an den künftigen Austragungsorten bestätigen?
Fredy Gsteiger: Die Missstände sind offenkundig. Es fällt natürlich auf, wie lange die Leute dort arbeiten: 50-60 Stunden pro Woche, und das bei enormer Hitze von zum Teil über 50 Grad. Die Arbeiten sind auch gefährlich. Die Leute sind oft nicht gesichert, auch wenn sie auf hohen Gerüsten arbeiten. Dazu kommt, dass die Löhne sehr schlecht sind: Umgerechnet 800 Franken im Monat sind absolut üblich.
Haben Sie mit den Leuten gesprochen. Was sagen sie?
Viele wollen gar nicht reden. Sie haben Angst ihre Stelle zu verlieren. Denn sie können jederzeit aus dem Land ausgewiesen werden, bekommen in diesem Fall auch keinen Lohn mehr. Trotzdem konnte ich mit einigen Arbeitern sprechen, aus Nepal, den Philippinen, aus Bangladesch. Diejenigen, die sich überhaupt äussern, sagen: «Es ist schlimm, aber ich habe keine andere Wahl.» Viele erzählen, dass Löhne gar nicht oder unpünktlich bezahlt werden, dass ihnen bei der Einreise die Pässe abgenommen wurden. Das Problem in Katar und den anderen Golfstaaten ist das sogenannte Kafala-System: Fremdarbeiter sind praktisch den «Sponsoren», meistens lokale Unternehmer, ausgeliefert. Sie können diese Arbeiter fast wie Leibeigene behandeln, diese haben kaum Rechte.
Es gibt schlicht zu viele in der Führung dieses Sportverbandes, die sagen, Sport und Menschenrechte seien zwei verschiedene Dinge.
Es gab auch schon zahlreiche Tote auf den Baustellen. Letzte Woche hat nun auch Fifa-Präsident Sepp Blatter gefordert, die Situation der Arbeiter zu verbessern. Ist seither etwas verändert worden?
Nicht wirklich. Die Fifa macht seit etwa zwei Jahren Druck, allerdings nur ein bisschen. Sie hat eine Task Force eingesetzt und Katar schon verschiedentlich kritisiert. Aber von einem wirklichen Engagement der Fifa kann man nicht sprechen. Es gibt schlicht zu viele in der Führung dieses Sportverbandes, die sagen, Sport und Menschenrechte seien zwei verschiedene Dinge. Es sei nicht Aufgabe der Fifa, etwas zu unternehmen. Die katarische Regierung hat wiederum einiges zur Besserung der Situation versprochen, etwa mehr Kontrollen einzuführen. Es ändert aber alles nichts daran, dass die Sponsoren sehr einflussreich sind, mit besten Drähten zum Haus des Emirs. Deswegen greift man auch nicht wirklich ein.
Sportverbände haben ja traditionell nicht allzu grosse Probleme mit autoritäten Regimen. Dort weiss man wenigstens, wessen Wort gilt.
Nach dem Korruptionsverdacht rund um die Vergabe der WM nach Katar gerät die Fifa nun erneut unter Druck. Kann Sie sich das überhaupt leisten?
Ich glaube, sie denkt, dass sie es sich leisten kann. Sportverbände, sei es die Fifa oder das Internationale Olympische Komitee, haben ja traditionell nicht allzu grosse Probleme mit autoritäten Regimen. Dort weiss man wenigstens, wessen Wort gilt: Das Wort der Mächtigen. Man muss in Katar ganz sicher keine Demonstrationen befürchten, wie es sie in Brasilien gab. Das ist ganz angenehm für die Fifa. Entscheidend ist für sie auch, was ihre Sponsoren wollen: Es werden die ersten Fussball-Weltmeisterschaften in einem arabischen Land, in einem Golfstaat sein. Also in einer Gegend, in der sehr viel Geld ist. Man kann eine ganz eine neue Weltregion für den Fussball erschliessen.
Eine Weltregion, die an sich nur wenig Fussballtradition hat. Wie wichtig ist die WM für den reichen Golfstaat Katar?
Image-mässig ist sie enorm wichtig. Katar unternimmt ja enorm viel, um auf die internationale Landkarte zu kommen. Zum Teil auch aus einer gewissen Verunsicherung heraus. Man möchte eine gewisse Bedeutung, eine gewisse Sichtbarkeit haben, angesichts viel grösserer Nachbarn wie Iran oder Saudi Arabien. Katar hat deswegen etwa viel Geld in Al-Dschasira investiert, möchte ein Medienzentrum sein. Es unternimmt Friedensbemühungen, Katar wollte auch beim Arabischen Frühling eine wichtige Rolle spielen – und nun eben mit der Fussball-WM. Möglicherweise werden die Schlagzeilen aber letzten Endes so negativ sein, dass man sich selbst in Katar fragt, ob die Bewerbung für die WM ein guter Schachzug war.
Das Gespräch führte Romana Costa.