Wenn jeder für sich sein Süppchen kocht, wird es schwierig mit der Zusammenarbeit. Das war deutlich zu spüren während der Pandemie. Die internationale Kooperation, die im Idealfall die Weltgesundheitsorganisation WHO hätte orchestrieren sollen, war ausgesprochen schwach.
Nun will die WHO rasch Veränderungen um- und durchsetzen: mit einem internationalen Pandemievertrag, der die unterzeichnenden Staaten zu sehr viel mehr Zusammenarbeit verpflichten soll. Der Zeitpunkt sei günstig, die Erinnerung an zweieinhalb Jahre Pandemie noch frisch, sagt Helen Keller, Völkerrechtlerin an der Universität Zürich.
Es soll rasch gehen
Noch im Mai dieses Jahres schien so ein Vertrag weit weg, doch nun liegt den Staaten ein recht konkreter Vertragsentwurf vor. Dieses Tempo hat die Völkerrechtlerin überrascht.
Der Vorgang sei regelrecht epochal, sagt sie. «Es wird erst zum zweiten Mal auf den Artikel 19 zugegriffen.» Dieser sieht vor, dass die WHO-Vollversammlung einen neuen Vertrag annehmen kann.
Der «Pandemic Treaty» sei clever aufgebaut und dynamisch, streicht Keller heraus. Sobald der Vertrag rechtskräftig angenommen ist, kann er also fortgeschrieben und erweitert werden. Für Änderungen braucht es dann keine Einstimmigkeit mehr, sondern es reicht eine Zweidrittel-Mehrheit der beteiligten Staaten.
Kurz: Der Vertrag ist so angelegt, dass die Beteiligten auf neue Erfahrungen reagieren können, ohne dass es dafür ein komplett neues Übereinkommen bräuchte.
Informationsaustausch ist zentral
Inhaltlich geht es zuallererst um den Informationsaustausch und Absprachen. Konkret verpflichten sich Staaten, Informationen zu neu auftretenden Krankheiten rasch zu teilen und sich in der Bekämpfung untereinander abzusprechen.
Jakob Zinsstag vom Schweizerischen Tropen und Public Health Institut, Swiss TPH, betont, dass da eine grosse Lücke geschlossen werde. «Der Vertrag vereinbart formell, wie bei einem künftigen Auftreten einer neuen Krankheit kommuniziert und wie koordiniert bekämpft wird.»
Es geht schnell um Finanzierungsfragen
Zinsstag arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Bereich Infektionskrankheiten, häufig ist er dafür in Afrika unterwegs. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Staaten sei zwingend, um die nächste Pandemie besser zu bewältigen, sagt er. «Wir müssen vermeiden, dass wir in einen Bekämpfungs-Nationalismus zurückfallen.»
Die Bereitschaft zur Kooperation vieler Staaten hält er für echt, schränkt aber ein, dass es dabei rasch um Finanzierungsfragen gehe, wie und wo die Mittel eingesetzt werden sollen.
Bis im Mai 2024 soll nun ein unterschriftsreifer «Pandemic Treaty» vorliegen, so der Fahrplan. Man kann den Vertrag als Versuch der WHO sehen, in Sachen Pandemiebewältigung erwachsen zu werden und aus den jüngsten Erfahrungen zu lernen. Also als einen Versuch, handlungsfähig, volljährig, also 18 Jahre zu werden.
Laut Völkerrechtlerin Helen Keller könnte es aber auch sein, dass man bei der nächsten Pandemie merke, dass man noch nicht 18, sondern erst 16 sei. Doch auch das wäre in ihren Augen schon ein Fortschritt gegenüber dem, wie die noch aktuelle Pandemie international bewältigt wurde.