Zum Inhalt springen
Audio
Wenn der Nahostkonflikt auch die Religionen hierzulande entzweit
Aus Rendez-vous vom 10.11.2023. Bild: Keystone/Georgios Kefalas
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 51 Sekunden.

Interreligiöser Friede Das Thema Nahost entzweit die Gemüter – auch bei uns

Das Thema Nahost spaltet die Gesellschaft auch in der Schweiz, wie ein Streit im nationalen Dachverband des interreligiösen Dialogs zeigt. Die Spannung schlägt sich auch zwischen arabischstämmigen Menschen und Juden nieder. SRF-Religionsredaktorin Judith Wipfler ordnet den Sachverhalt ein.

Judith Wipfler

Leiterin Fachredaktion Religion, Radio SRF

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Judith Wipfler ist reformierte Theologin und seit 2014 Teamleiterin der Fachredaktion Religion bei Radio SRF. Seit dem Jahr 2000 ist sie Mitglied der Redaktion.

SRF News: Sehen Sie – zum Beispiel aufgrund dieses akuten Konflikts in der interreligiösen Arbeitsgruppe – den interreligiösen Frieden bei uns gefährdet?

Judith Wipfler: Dieser Konflikt ist ein Zeichen dafür, wie die Nerven blank liegen. Vor allem die jüdische Gemeinschaft ist aktuell extrem belastet. Es gab über 100 antisemitische Übergriffe seit dem Massaker in Israel vor einem Monat hier bei uns in der Schweiz.

Wie beschrieben.
Legende: Die israelische Flagge wird am Berner Zytglogge projiziert. (12. Oktober 2023) Keystone/Peter Schneider

Das macht Angst. Veranstaltungen in der «Woche der Religionen» mussten abgesagt werden, weil jüdische Referentinnen nicht kommen konnten oder wollten. Oder Veranstaltungen wurden wie in der liberalen jüdischen Gemeinde in Basel aus Sicherheitsbedenken abgesagt. Alle, die irgendwie mit Menschen in Israel verbunden sind, stehen unter Dauerstress.

Rifat Lenzin: Umstrittene Präsidentin

Box aufklappen Box zuklappen

Die schweizerische Interreligöse Arbeitsgemeinschaft Iras Cotis umfasst 70 Religionsgemeinschaften und will den Austausch zwischen ihnen fördern. Finanziert wird die Arbeitsgemeinschaft mehrheitlich von der öffentlichen Hand, von Kirchen und Stiftungen. Die Präsidentin dieser Arbeitsgemeinschaft, Rifat Lenzin, ist auch Mitglied der Gemeinschaft Schweiz-Palästina (GSP). Nach Bekanntwerden dieses Fakts traten die beiden Vertreter der jüdischen Dachverbände aus dem Vorstand von Iras Cotis aus.

Dies, weil sich die GSP israelfeindlich positioniert und nicht genug von dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in Israel distanziert habe. Die GSP hat auf Facebook auch ein umstrittenes Gedicht veröffentlicht, das die Palästinenser mit KZ-Häftlingen während des 2. Weltkriegs vergleicht.

In ihrer aktuellen Stellungnahme zu den Ereignissen in Nahost fordert die GSP einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und in Israel, «um eine humanitäre Katastrophe und den Verlust weiterer unschuldiger Menschenleben zu verhindern.»

Wäre es einfacher, wenn sich Rifat Lenzin geäussert und sich von der Hamas-Gewalt abgegrenzt hätte?

Lenzin hat Gewalt immer verurteilt. Sie hat sich bewusst nie politisch zu Nahost geäussert. Lenzin hat ja viele Jahre mit Juden und mit Christen zusammen im Zürcher Lehrhaus gearbeitet. Das Lehrhaus, heute Zürcher Institut für interreligiösen Dialog, klammerte das Thema Nahost immer ganz bewusst aus und hat gute Erfahrungen damit gemacht, im Sinne von: Wir können das Problem hier zwischen Israel und den Palästinensern nicht lösen. Ich fand das klug, denn das Thema Nahost polarisiert so stark, dass ein vernünftiger Dialog darüber fast unmöglich ist.


Andererseits scheint gewissermassen ein Generalverdacht über den muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz zu schweben, sie seien antisemitisch. Wie sehen Sie das?

Die muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz klagen zu Recht über die Islamophobie, die ihnen entgegenschlägt. Die Solidarität mit Israel hat in manchen Kreisen einen antiarabischen und antimuslimischen Reflex. Oft übersehen diese Menschen, dass die Mehrheit der Schweizer Musliminnen und Muslime in guter Nachbarschaft mit jüdischen Kollegen leben und ohnehin nicht extremistisch sind.

In der interreligiösen Arbeitsgemeinschaft sind auch die grossen Kirchen vertreten. Wie stellen diese sich zu diesem konkreten Fall?

Auch in den Kirchen selbst herrscht Entzweiung über das Thema Nahost, konkret, mit wem man sich jetzt solidarisieren oder von wem man sich abgrenzen muss. Grundsätzlich tun die Kirchen sehr viel, um zu vermitteln und auch Räume für den Dialog zu schaffen. Beispielsweise gab es letzte Woche eine interreligiöse Klagefeier in der offenen Kirche Sankt Jakob in Zürich. Imam, Rabbiner und Pfarrerin standen nebeneinander und trauerten gemeinsam.

Video
Nahost-Konflikt: Interreligiöse Klagefeier in Zürich
Aus Tagesschau vom 05.11.2023.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 53 Sekunden.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Rendez-vous vom 10.11.2023, 12:30 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel