Die Gewaltspirale dreht sich weiter: Gegen 1000 Raketen wurden aus dem Gazastreifen in Richtung Tel Aviv abgefeuert, die israelische Armee flog Gegenangriffe. Auf beiden Seiten gibt es Tote und Verletzte. Die freie Journalistin Joëlle Weil schildert, wie es ist, derzeit in Tel Aviv zu leben.
SRF News: Wie haben Sie die letzte Nacht erlebt?
Joëlle Weil: Es war eine unruhige Nacht – um drei Uhr gingen die Sirenen los. Dann schnappt man sich sein Telefon, Hund und Kind und wartet im Bunker, bis alles vorbei ist.
1000 Stück – so viele Raketen aus dem Gazastreifen wurden noch nie auf Tel Aviv abgefeuert. Wie ist die Stimmung in der Stadt?
Die Lage hat sich seit der Nacht etwas entspannt, trotzdem bleiben die Leute heute in Israel zu Hause. Im ganzen Land sind die Schulen geschlossen, und wer Homeoffice machen kann, arbeitet heute von zu Hause aus.
Nicht auszumalen, wenn alle Raketen in Israel eingeschlagen wären.
Das israelische Luftabwehrsystem «Iron Dome» konnte nicht alle Raketen abfangen. Fühlen sich die Israeli trotzdem sicher?
Es stärkt das Gefühl von Sicherheit durchaus. Es wäre ja nicht auszumalen, wenn alle Raketen, die auf Israel abgefeuert worden sind, auch eingeschlagen wären. Trotzdem ist klar: Das System kann nicht alle Geschosse abfangen, entsprechend haben die Raketen aus Gaza in Israel mehrere Todesopfer gefordert.
Wie überraschend waren die Raketenangriffe für die Menschen in Tel Aviv?
Sie waren von den militanten palästinensischen Organisationen ja angekündigt – trotzdem kommen solche immer wieder überraschend. Vor allem die Heftigkeit der Angriffe und dass sie auch mitten in der Nacht erfolgten, war doch überraschend.
Werden angesichts der sich zuspitzenden Lage in Israel jetzt auch Stimmen laut, die eine Deeskalation fordern?
Solche Stimmen gibt es immer. Normalerweise sind es die politisch linken Kreise, die sich gegen militärische Operationen im Gazastreifen stellen.
In mehreren israelischen Städten kam es zu massivsten Ausschreitungen arabischer Jugendlicher.
Doch inzwischen ist die Situation derart ausser Kontrolle geraten – neben den Raketenangriffen ist es in mehreren Städten auch zu massivsten Ausschreitungen arabischer Jugendlicher gekommen –, dass die Stimmung im israelischen Volk relativ homogen ist.
Es ist die schwerste Krise zwischen Israelis und Palästinensern seit dem Gazakrieg von 2014. Wie geht es jetzt weiter?
Die Prognose ist leider düster. Wir sehen wohl den Anfang eines neuen Krieges. Premierminister Benjamin Netanjahu hat bereits angekündigt, dass die militärische Operation weitergehen und nicht rasch beendet wird.
Das Gespräch führte Lillybelle Eisele.