Das Tankstellen-Café, in dem wir den 36-jährigen Anwalt zum Interview treffen, liegt unweit des Megiddo-Gefängnisses, eine Autostunde von Tel Aviv. Dort war Khaled Mahajneh an diesem Vormittag auf Gefangenenbesuch. Solche Besuche gehören zum Alltag des arabisch-israelischen Anwalts. Er verteidigt Israels palästinensischen Gefangene vor Gericht.
«Ich habe in den letzten zehn Jahren sehr viele Gefangene in verschiedenen Gefängnissen besucht», sagt der Anwalt. Im Juni war er erstmals in einem der Militärgefängnisse, die Israel seit Beginn des Gazakrieges betreibt. Der Fernsehsender Alaraby hatte ihn um Hilfe gebeten: Dessen bekannter Gaza-Reporter Muhammad Arab war im April im Al-Schifa-Spital im Gazastreifen verhaftet und ins Militärgefängnis Sde Teiman in der Negev-Wüste gebracht worden. Anwalt Mahajneh sollte versuchen, ihn da herauszuholen.
«In meiner ganzen Zeit als Anwalt habe ich noch nie so etwas erlebt: Die Soldaten waren maskiert, und sie standen während des ganzen Gesprächs hinter dem Gefangenen, mit dem ich nur durch eine Scheibe reden konnte.» Khaled Mahajneh beschreibt die einschüchternde Stimmung, und sagt, den Fernsehjournalisten habe er nicht wiedererkannt, so abgemagert und schmutzig sei er gewesen.
Immer gefesselt
Trotz seiner offensichtlichen Angst habe der Journalist alles erzählt; wie er und die anderen Gefangenen Tag und Nacht an Händen und Beinen gefesselt seien, ihre Augen ständig verbunden. Die Augenbinde nähmen ihnen die Soldaten nur ab, wenn sie einmal pro Woche eine Minute duschen dürfen, oder wenn die Soldaten einen Gefangenen foltern, oder gar vergewaltigen würden, und sie die anderen Gefangenen zwingen würden, ihnen dabei zuzuschauen.
Dem Anwalt fällt es sichtlich schwer, darüber zu reden. Er spricht von Gefangenen, die wochenlang dieselben Kleider und sogar Unterhosen tragen müssten, vom Gestank, vom absoluten Sprechverbot und von der kompletten, monatelangen Abgeschnittenheit von der Aussenwelt. Die Mahlzeiten bestünden nur aus Brot, einer Scheibe Tomate oder Gurke und etwas Aufstrich und verursachten bei den Gefangenen extreme Verstopfung. Es gebe unbehandelte Krankheiten und Verletzungen. Er spricht von Gewalt, die nicht im Rahmen von Verhören, sondern laut dem Journalisten nur der Rache zu dienen scheine.
Nach Besuch des Anwalts verlegt
Im Militärgefängnis Sde Teiman sind seit Februar über 30 Häftlinge gestorben. Diese Zahl bestätigen israelische Behörden – wenn auch nicht die Todesursachen. Was mit dem Journalisten nach seinem Besuch passiert ist, weiss Anwalt Khaled Mahajneh nicht. Er weiss nur, dass er in ein anderes Gefängnis verlegt worden sei.
«Ich hätte nie gedacht, dass Israel Gefangene so behandeln würde, dass Gesetze, internationales Recht und was die Welt denkt, vollkommen egal zu sein scheinen», so der Anwalt. «Das macht mich traurig, wütend und hilflos, vor allem, weil mich Muhammad gefragt hat, wie ich ihm helfen könne – und ich ihm keine Antwort geben konnte.»